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Hercule Poirot schläft nie

Hercule Poirot schläft nie

Titel: Hercule Poirot schläft nie
Autoren: Agatha Christie
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entlang zum Arbeitszimmer. Lord Mayfield blickte auf, als Poirot eintrat.
    »Nun?«, fragte er.
    Poirot breitete die Hände aus.
    »Der Fall ist abgeschlossen, Lord Mayfield.«
    »Was?«
    Poirot wiederholte Wort für Wort das Gespräch zw i schen ihm und Lady Julia.
    Lord Mayfield starrte ihn bestürzt an.
    »Aber was bedeutet das? Ich verstehe es nicht.«
    »Das ist doch klar, oder? Lady Julia weiß, wer die Pläne gestohlen hat.«
    »Sie glauben doch nicht, sie hätte sie selbst gestohlen?«
    »Gewiss nicht. Lady Julia mag eine Spielerin sein, eine Diebin ist sie nicht. Aber wenn sie uns anbietet, die Pläne zurückzubringen, so bedeutet das, dass diese entweder von ihrem Mann oder von ihrem Sohn gestohlen wurden. Ich glaube, ich kann die Ereignisse der vergangenen Nacht ziemlich genau rekonstruieren. Lady Julia ging gestern Abend in das Zimmer ihres Sohnes. Es war leer. Sie ging nach unten, um ihn zu suchen, fand ihn aber nicht. Heute Morgen hört sie von dem Diebstahl und hört auch, wie ihr Sohn erklärt, er sei sofort auf sein Zimmer gegangen und habe dieses nicht mehr verlassen. Sie weiß, das ist nicht wahr. Und sie weiß noch etwas anderes über ihren Sohn. Sie weiß, dass er labil ist und in einer verzweifelten finanziellen Situation. Sie hat seine Verliebtheit in Mrs Vanderlyn beobachtet. Die Sache ist für sie sonnenklar. Mrs Vanderlyn hat Reggie überredet, die Pläne für sie zu stehlen. Lady Julia fasst einen En t schluss: Sie will sich Reggie vorknöpfen, die Pläne wi e derzubeschaffen und sie zurückzugeben.«
    »Aber das Ganze ist doch völlig unmöglich«, rief Lord Mayfield.
    »Ja, es ist unmöglich. Aber das weiß Lady Julia nicht. Sie weiß nicht, was ich, Hercule Poirot, weiß, dass nämlich unser junger Reggie Carrington in der vergangenen Nacht nicht damit beschäftigt war, Papiere zu stehlen, sondern sich mit Mrs Vanderlyns französischer Zofe vergnügte.«
    »An der Geschichte ist also kein wahres Wort!«
    »Sehr richtig.«
    »Und der Fall ist keineswegs abgeschlossen!«
    »Doch. Ich, Hercule Poirot – ich kenne die Wahrheit. Sie glauben mir nicht? Sie haben mir auch gestern nicht geglaubt, als ich Ihnen sagte, ich wüsste, wo die Pläne seien. Aber ich wusste es. Sie befanden sich ganz in uns e rer Nähe.«
    »Wo?«
    »In Ihrer Tasche, Mylord.«
    Nach einer kurzen Pause sagte Lord Mayfield: »Wissen Sie eigentlich, was Sie da behaupten, Monsieur Poirot?«
    »Ja, das weiß ich. Ich weiß, dass ich mit einem sehr kl u gen Mann spreche. Von Anfang an zerbrach ich mir den Kopf, warum Sie, der Sie zugegebenermaßen kurzsichtig sind, so sehr darauf bestanden, eine Gestalt gesehen zu haben, die aus der Terrassentür kam. Sie wünschten, dass diese Erklärung, die bequemste Erklärung, von allen a k zeptiert würde. Warum? Später strich ich eine verdächtige Person nach der anderen von meiner Liste. Mrs Vande r lyn war oben. Sir George befand sich bei Ihnen auf der Terrasse. Reggie Carrington stand mit der französischen Zofe auf der Treppe. Mrs Macatta lag ohne jeden Zweifel im Bett und schlief. (Ihr Schlafzimmer liegt neben dem der Haushälterin, und Mrs Macatta schnarcht.) Lady Julia hielt ganz offensichtlich ihren Sohn für schuldig. Es bli e ben also nur noch zwei Möglichkeiten. Entweder hatte Carlile die Papiere nicht auf den Schreibtisch gelegt, so n dern in seine eigene Tasche gesteckt, was unsinnig wäre, denn wie Sie selbst ganz richtig sagten, hätte er ja jede r zeit eine Kopie anfertigen können. Oder aber die Pläne lagen noch da, als Sie zum Schreibtisch gingen, und der einzige Ort, wo sie hingeraten sein konnten, war Ihre Jackentasche. In dem Fall war alles klar. Ihre hartnäckigen Beteuerungen, Sie hätten draußen eine Gestalt gesehen, Ihr Bestehen auf Carliles Unschuld, Ihre Abneigung, mich rufen zu lassen.
    Aber eines bereitete mir immer noch Kopfzerbrechen – das Motiv. Sie sind, davon bin ich überzeugt, ein ehrl i cher, integerer Mann. Dies verriet sich in Ihrer Besorg t heit, dass ein Unschuldiger in Verdacht geraten könnte. Auch lag es auf der Hand, dass die Geschichte Ihrer Ka r riere schaden würde. Warum also dieser unverständliche Diebstahl? Und endlich kam ich auf die Lösung: Jene Krise in Ihrer politischen Laufbahn vor einigen Jahren, die Versicherung des Premierministers in aller Öffen t lichkeit, dass Sie mit dem bewussten Staat keine Verhan d lungen geführt hatten. Angenommen, es entsprach nicht ganz der Wahrheit. Angenommen, es existieren Unterl a gen
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