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Hercule Poirot schläft nie

Hercule Poirot schläft nie

Titel: Hercule Poirot schläft nie
Autoren: Agatha Christie
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sollten das beurteilen können.«
    »Bestimmt, Monsieur«, erwiderte das Mädchen nac h drücklich. »Ich täusche mich nicht. Ich kenne alle Sti m mungen von Madame. Sie ist in bester Laune.«
    »Richtiggehend triumphierend?«
    »Das ist genau das Wort, Monsieur.«
    Poirot nickte düster. »Ich finde das – etwas schwer e r träglich. Dennoch scheint es mir leider unvermeidlich zu sein. Ich danke Ihnen, Mademoiselle. Das ist alles.«
    »Ich danke Ihnen, Monsieur«, entgegnete Leonie mit einem koketten Blick. »Sollte ich Monsieur auf der Tre p pe begegnen, seien Sie versichert, ich würde nicht schre i en.«
    »Mein Kind«, erklärte Poirot mit Würde, »ich befinde mich in vorgerücktem Alter. Was habe ich mit solchen Frivolitäten noch zu schaffen?«
    Leonie kicherte bloß und ging hinaus.
    Poirot schritt langsam im Zimmer auf und ab. Seine Miene wurde ernst und besorgt.
    »Und nun zu Lady Julia«, sagte er schließlich. »Was sie mir wohl erzählen wird?«
    Lady Julia war ruhig und selbstsicher. Sie nickte höflich, ließ sich auf dem Stuhl nieder, den Poirot ihr zuschob, und sprach mit leiser, kultivierter Stimme.
    »Lord Mayfield sagt, dass Sie mir einige Fragen stellen möchten.«
    »Ja, Madame. Es handelt sich um den gestrigen Abend.«
    »Den gestrigen Abend, ach ja?«
    »Was geschah, nachdem Sie Ihre Bridgepartie beendet hatten?«
    »Mein Mann fand, es sei zu spät für ein weiteres Spiel. Ich ging hinauf ins Bett.«
    »Und dann?«
    »Dann schlief ich ein.«
    »Das ist alles?«
    »Ja. Ich fürchte, ich kann Ihnen nichts sagen, was i r gendwie für Sie von Interesse wäre. Wann ist dieser – «, sie zögerte, »dieser Einbruch passiert?«
    »Bald nachdem Sie hinaufgegangen waren.«
    »Ich verstehe. Und was wurde gestohlen?«
    »Einige Privatpapiere, Madame.«
    »Wichtige Papiere?«
    »Sehr wichtige.«
    Sie runzelte leicht die Stirn . »Waren sie – wertvoll?«
    »Ja, Madame, sie waren eine ganze Menge Geld wert.«
    »Ach.«
    Es folgte eine Pause, dann sagte Poirot: »Wie war das mit Ihrem Buch, Madame?«
    »Mit meinem Buch?« Sie richtete einen erstaunten Blick auf ihn.
    »Ich hörte es von Mrs Vanderlyn – einige Zeit, nac h dem die drei Damen sich zur Ruhe begeben hatten, seien Sie, Madame, noch einmal hinuntergegangen, um ein Buch zu holen.«
    »Ja, das stimmt. Das hatte ich vergessen.«
    »Während Sie im Salon waren, haben Sie da jemand schreien gehört?«
    »Nein – doch – nein, ich glaube nicht.«
    »Ich bitte Sie, Madame, Sie müssen den Schrei im Salon gehört haben.«
    Lady Julia warf den Kopf zurück und erklärte mit fester Stimme: »Ich habe nichts gehört!«
    Poirot zog die Augenbrauen hoch, gab aber keine An t wort.
    Das Schweigen wurde peinlich. Lady Julia fragte abrupt: »Was wird denn unternommen?«
    »Unternommen? Ich verstehe Sie nicht, Madame.«
    »Ich meine, wegen des Diebstahls. Die Polizei muss doch etwas tun.«
    Poirot schüttelte den Kopf.
    »Die Polizei ist nicht hinzugezogen worden. Ich führe die Ermittlungen.«
    Sie starrte ihn an. Ihr hageres, nervöses Gesicht erstar r te, und ihre dunklen Augen versuchten, seine gleichmüt i ge Miene zu durchdringen.
    Schließlich senkte sie resigniert den Blick.
    »Sie können mir nicht sagen, welche Maßnahmen g e troffen wurden?«
    »Ich kann Ihnen nur versichern, Madame, dass ich nichts unversucht lassen werde.«
    »Den Dieb zu fangen – oder – oder die Papiere wieder zu finden?«
    »Die Papiere wieder zu finden ist die Hauptsache, M a dame.« Ihr Verhalten änderte sich. Sie wirkte jetzt g e langweilt und uninteressiert.
    »Ja«, murmelte sie gleichgültig. »Das glaube ich.«
    Abermals trat eine Pause ein.
    »Ist sonst noch etwas, Monsieur Poirot?«
    »Nein, Madame. Ich möchte Sie nicht länger beläst i gen.«
    »Danke.«
    Er hielt ihr die Tür auf. Sie ging an ihm vorbei, ohne ihn eines Blickes zu würdigen.
    Poirot trat wieder an den Kamin und stellte vorsichtig die Nippes auf dem Sims anders auf. Er war noch damit beschäftigt, als Lord Mayfield durch die Terrassentür ins Zimmer trat.
    »Nun, wie geht’s?«
    »Ausgezeichnet, glaube ich. Die Dinge entwickeln sich wunschgemäß.«
    Lord Mayfield starrte ihn betroffen an.
    »Erfreulich?«
    »Nein, erfreulich nicht. Aber zufriedenstellend.«
    »Wirklich, Monsieur Poirot, ich verstehe Sie nicht.«
    »Ich bin kein solcher Scharlatan, wie Sie glauben.«
    »Ich habe nie gesagt…«
    »Nein, aber gedacht! Es tut nichts zur Sache. Ich bin nicht gekränkt. Manchmal ist es notwendig
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