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Hercule Poirot schläft nie

Hercule Poirot schläft nie

Titel: Hercule Poirot schläft nie
Autoren: Agatha Christie
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noch etwas anderes auf. Es mochte Triumph sein, vie l leicht sogar Spott, und war fast sofort wieder verschwu n den, aber Poirot hatte es bemerkt. Er fand es interessant.
    »Einbrecher? Letzte Nacht? Wie furchtbar! O nein, ich habe nichts gesehen. Was ist mit der Polizei? Kann die nichts tun?«
    Wieder blitzte für einen Moment Spott in ihren Augen auf. Es ist völlig klar, dass Sie keine Angst vor der Polizei haben, meine Liebe, dachte Poirot. Sie wissen sehr gut, dass man sie nicht rufen wird.
    »Sie verstehen, Madame«, sagte er laut, »es handelt sich um eine sehr delikate Affäre.«
    »Aber gewiss doch, Monsieur – Poirot, nicht wahr? Es würde mir im Traum nicht einfallen, ein Wort darüber verlauten zu lassen. Ich bin eine viel zu große Bewund e rin unseres lieben Lord Mayfield, um irgendetwas zu tun, was ihm auch nur den geringsten Kummer bereiten kön n te.«
    Sie schlug die Beine übereinander. An der Spitze ihres seidenbestrumpften Fußes baumelte ein auf Hochglanz geputzter brauner Lederhalbschuh. Sie lächelte. Ein wa r mes, unwiderstehliches Lächeln, in dem sich Gesundheit und eine tiefe Zufriedenheit ausdrückten.
    »Sagen Sie mir doch bitte, ob ich Ihnen irgendwie b e hilflich sein kann?«
    »Ich danke Ihnen, Madame. Sie haben gestern Abend im Salon Bridge gespielt?«
    »Ja.«
    »Wenn ich recht verstehe, sind die Damen danach alle zu Bett gegangen.«
    »Das ist richtig.«
    »Aber irgendjemand kam noch einmal zurück, um sich ein Buch zu holen. Das waren Sie, nicht wahr, Mrs Va n derlyn?«
    »Ich war die erste, ja.«
    »Was heißt das, die erste?«, fragte Poirot scharf.
    »Ich kam sofort noch einmal zurück. Dann ging ich nach oben und klingelte meiner Zofe. Sie kam ewig nicht. Ich klingelte wieder. Dann ging ich hinaus auf die Galerie. Ich hörte ihre Stimme und rief sie herauf. Nachdem sie mir das Haar gebürstet hatte, schickte ich sie weg; sie war so nervös und fahrig, dass sich die Bürste ein- oder zweimal in meinen Haaren verwickelte. Und da, in dem Moment, als ich sie wegschickte, sah ich Lady Julia die Treppe heraufkommen. Sie sagte mir, sie habe sich unten auch noch ein Buch geholt. Eigenartig, nicht wahr?«
    Mrs Vanderlyn lächelte wieder, diesmal ein breites, ka t zenhaftes Lächeln. Sie mochte Lady Julia Carrington nicht, stellte Poirot bei sich fest.
    »Sie sagen es, Madame. Noch eine Frage: Haben Sie I h re Zofe schreien gehört?«
    »O ja, ich habe so etwas gehört.«
    »Haben Sie sie danach gefragt?«
    »Ja. Sie behauptete, sie habe eine schwebende Gestalt in Weiß gesehen – so ein Unsinn!«
    »Was hat Lady Julia gestern getragen?«
    »Ach, Sie meinen, vielleicht – ja, ich verstehe! In der Tat, sie trug ein weißes Abendkleid. Natürlich, das erklärt alles. Das Mädchen muss sie in der Dunkelheit bloß als weiße Gestalt wahrgenommen haben. Diese jungen Di n ger sind so abergläubisch.«
    »Das Mädchen ist schon lange bei Ihnen, Madame?«
    »O nein.« Mrs Vanderlyn sah ihn mit großen Augen an. »Erst seit ungefähr fünf Monaten.«
    »Ich würde nachher gern mit ihr sprechen, wenn Sie nichts dagegen haben, Madame.«
    Mrs Vanderlyn zog die Augenbrauen hoch.
    »Gewiss«, sagte sie kühl.
    »Sie verstehen, ich möchte sie einem Verhör unterzi e hen.«
    »Aber ja.«
    Wieder jenes spöttische Aufblitzen.
    Poirot stand auf und verbeugte sich.
    »Madame«, sagte er, »Sie haben meine ganze Bewund e rung.«
    Mrs Vanderlyn schien ausnahmsweise eine Spur ve r blüfft.
    »Oh, Monsieur Poirot, wie nett von Ihnen. Aber w a rum?«
    »Sie sind, Madame, gegen alles so gewappnet, Sie sind so selbstsicher.«
    Mrs Vanderlyn lachte ein wenig betroffen.
    »Ich frage mich, ob ich das als Kompliment auffassen soll.«
    »Vielleicht ist es eher eine Warnung – vor einer übe r heblichen Haltung gegenüber dem Leben.«
    Mrs Vanderlyns Lachen klang wieder sicherer. Sie e r hob sich und streckte die Hand aus.
    »Lieber Monsieur Poirot, ich wünsche Ihnen viel E r folg. Und ich danke Ihnen für all die reizenden Dinge, die Sie gesagt haben.«
    Sie ging hinaus.
    »So, so, Sie wünschen mir viel Erfolg«, murmelte Poirot vor sich hin. »Aber Sie sind überzeugt, dass ich keinen Erfolg haben werde! O ja, Sie sind fest davon überzeugt. Und das ärgert mich sehr!«
    Mit einer gewissen Gereiztheit betätigte er die Klingel und bat, Mademoiselle Leonie zu ihm zu schicken.
    Während sie zögernd auf der Schwelle stehen blieb, glitt Poirots Blick abschätzend über ihr schwarzes Kleid, die sauber
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