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Hercule Poirot schläft nie

Hercule Poirot schläft nie

Titel: Hercule Poirot schläft nie
Autoren: Agatha Christie
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Gramm a tik las.
    »Gütiger Himmel, Poirot!«, rief ich. »Lernen Sie am Ende Russisch, um mit der Gräfin in ihrer Muttersprache reden zu können?«
    »Auf mein Englisch wollte sie ja nicht hören, mein Freund.«
    »Aber, Poirot, alle Russen aus guter Familie sprechen Französisch.«
    »Was Sie nicht alles wissen, Hastings! Wunderbar! Dann kann ich ja aufhören, mich mit den Schwierigkeiten des russischen Alphabets abzuplagen.«
    Er warf das Buch mit einer dramatischen Geste hin. Ich war nicht ganz zufrieden. In seinen Augen lag ein Gli t zern, das ich seit langem kannte. Es war unweigerlich das Zeichen dafür, dass Poirot mit sich selbst sehr zufrieden war.
    »Vielleicht«, sagte ich weise, »zweifeln Sie daran, dass sie wirklich Russin ist. Wollen Sie sie auf die Probe stellen?«
    »Nein, nein, sie ist echt.«
    »Nun, dann…«
    »Wenn Sie sich bei diesem Fall auszeichnen möchten, Hastings, empfehle ich Russisch für Anfänger als unbezah l bare Hilfe.«
    Dann lachte er und wollte nichts mehr sagen. Ich nahm das Buch und blätterte neugierig darin, konnte mir jedoch auf Poirots Bemerkung keinen Reim machen.
    Der nächste Morgen brachte uns nichts Neues, aber das schien meinen kleinen Freund nicht zu beunruhigen. Beim Frühstück teilte er mir mit, er habe die Absicht, Mr Hardman einen frühen Besuch abzustatten. Wir trafen den ältlichen Gesellschaftsschmetterling zu Hause an, und er schien ein wenig ruhiger zu sein als am Tag vo r her.
    »Nun, Monsieur Poirot, was gibt es Neues?«, fragte er eifrig.
    Poirot reichte ihm einen Zettel.
    »Dies ist die Person, die die Schmuckstücke stahl, Mo n sieur. Soll ich den Fall der Polizei übergeben? Oder wäre es Ihnen lieber, den Schmuck zurückzubekommen, ohne dass sie hinzugezogen wird?«
    Mr Hardman starrte auf das Stück Papier hinunter. Es dauerte etwas, bis er seine Stimme wieder fand.
    »Sehr erstaunlich! Mir wäre es sehr, sehr lieb, wenn es wegen dieser Sache keinen Skandal gäbe. Sie haben Carte blanche, Monsieur Poirot. Ich weiß, Sie werden diskret sein.«
    Als nächstes riefen wir ein Taxi, das uns auf Poirots Anweisung hin zum »Carlton« brachte. Dort fragte er nach Gräfin Rossakoff. Ein paar Minuten später wurden wir zu ihrer Suite hinaufgeleitet. Sie kam uns, in ein her r liches, barbarisch gemustertes Negligé gehüllt, mit ausg e streckten Händen entgegen.
    »Monsieur Poirot!«, rief sie. »Sie hatten Erfolg? Sie h a ben das arme Kind von jedem Verdacht befreit?«
    »Ihr Freund Mr Parker wird bestimmt nicht verhaftet werden, Gräfin.«
    »Was für ein kluger kleiner Mann Sie doch sind! Gro ß artig! Und auch noch so schnell.«
    »Andererseits habe ich aber Mr Hardman versprochen, dass er die Juwelen noch heute zurückerhält.«
    »Und?«
    »Darum wäre ich Ihnen sehr verbunden, Madame, wenn Sie sie mir sofort aushändigten. Ich bedaure, Sie zur Eile antreiben zu müssen, aber ich habe das Taxi warten lassen, falls ich nach Scotland Yard fahren müsste. Und wir Belgier, Madame, sind sparsame Leute.«
    Die Gräfin hatte sich eine Zigarette angezündet. Ein paar Sekunden saß sie völlig reglos da, blies Rauchringe in die Luft und sah Poirot gelassen an. Dann brach sie in Lachen aus und stand auf. Sie ging zum Sekretär, öffnete eine Schublade, nahm eine Handtasche aus schwarzer Seide heraus und warf sie mit einem leichten Schwung Poirot zu. Als sie sprach, lang ihre Stimme völlig unb e schwert und unbewegt.
    »Wir Russen sind dagegen sehr verschwenderisch«, sa g te sie. »Und dazu braucht man unglücklicherweise Geld. Sie müssen nicht nachsehen, es ist alles da.«
    Poirot stand auf.
    »Ich beglückwünsche Sie, Madame, zu ihrem raschen Verstand und zu Ihrer Geistesgegenwart.«
    »Was konnte ich sonst tun, da doch Ihr Taxi wartet?«
    »Sie sind zu liebenswürdig, Madame. Bleiben Sie lange in London?«
    »Leider nein – dank Ihnen.«
    »Ich bitte Sie um Verzeihung.«
    »Vielleicht begegnen wir uns ein andermal wieder.«
    »Das hoffe ich.«
    »Und ich – ich hoffe es nicht!«, rief die Gräfin lachend. »Es ist ein großes Kompliment, das ich Ihnen damit m a che – es gibt auf der Welt nur wenig Männer, vor denen ich Angst habe. Leben Sie wohl, Monsieur Poirot.«
    »Leben Sie wohl, Gräfin. Ah – entschuldigen Sie, fast hätte ich es vergessen. Erlauben Sie mir, Ihnen Ihr Zig a rettenetui zurückzugeben.«
    Und mit einer Verbeugung überreichte er ihr das kleine schwarze Moiré-Etui, das wir im Safe gefunden hatten. Sie nahm es entgegen, ohne
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