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Herbsttagebuch: Roman (German Edition)

Herbsttagebuch: Roman (German Edition)

Titel: Herbsttagebuch: Roman (German Edition)
Autoren: Kerstin Hohlfeld
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mal sehen, bevor ich abreise. Aber ich zögere.
    Bestimmt
sehen wir uns. Zwei Tage sind eine Menge Zeit.
     
    Vicki steht daneben, als ich meine
Sommerkleider aus dem Schrank hole.
    »Jetzt ist
es also klar?«
    »Ja«, antworte
ich einsilbig. Ich spüre, wie mir die Tränen hochsteigen, aber ich schlucke sie
tapfer herunter.
    »Mein Angebot steht«, sagt Vicki. »Du kannst jederzeit wieder
einziehen.«
    »Warum sagst du das immer?«, frage ich mit zitternder Stimme.
»Warum wünschst du mir nicht Glück, oder so?«
    »Ich wünsche dir Glück, Rosa«, sagt sie. »Jede Menge sogar.
Ich bezweifle nur, dass das was nützen würde in deinem Fall. So wie ich das sehe,
läufst du nämlich gerade vor deinem Glück davon.«
    »Was meinst
du denn?«
    Vicki rollt
genervt mit den Augen. »Da musst du schon selbst drauf kommen«, sagt sie.
    »Aber Basti
will mich doch gar nicht mehr«, spreche ich endlich aus, was mir auf dem Herzen
liegt. »Er hat eine neue Freundin und will nichts mehr mit mir zu tun haben.«
    »Klar, dann
musst du natürlich mit Leo gehen«, spottet Vicki.
    »Scheinbar
mache ich immer alles falsch.«
    Vicki sagt
nichts mehr dazu, sondern hilft mir, meine Sommergarderobe einzupacken. Wir umarmen
uns fest, als ich gehe.
    »Ich melde
mich noch mal, bevor ich fliege.«
    »Alles Gute,
Rosa!«
     
    Ich hasse Abschiede. Am liebsten
will ich mich davor drücken. Deshalb setze ich mich an meinen Laptop und schreibe
eine Rundmail an alle, die ich kenne, und erzähle ihnen, wo ich in diesem Jahr das
Weihnachtsfest verbringen werde. Das ist so schön unpersönlich und ich muss vor
niemandem Rechenschaft ablegen oder neugierige Fragen beantworten.
    Eigentlich
will ich auch Basti in die Empfängerliste aufnehmen, aber ich zögere. Ich könnte
doch … Vielleicht ist er …
    Für Juli
habe ich ein Weihnachtsgeschenk gekauft, ein schönes dickes Buch mit Pferdegeschichten.
Spontan beschließe ich, es ihr vorbeizubringen. Ich wickle es in Geschenkpapier
ein und laufe zur U-Bahn. Während der Fahrt schließe ich einen kleinen Handel mit
dem lieben Gott (oder wem auch immer) ab.
    Also, wenn
ich klingele und Basti ist da, dann bedeutet das, dass ich nicht in die USA
fliegen soll. Wenn er nicht da ist, dann soll ich mit Leo gehen und es ist für immer
entschieden.
    Wenn während
der U-Bahnfahrt ein Fahrkartenkontrolleur kommt, dann bedeutet das, dass Basti nichts
mehr von mir wissen will.
    Wenn mich
unterwegs ein Verkäufer, Unterschriftensammler oder Obdachlosenzeitungs-Verkäufer
anspricht, dann heißt es, dass Basti mich immer noch liebt.
    Wenn …
    Ach, verdammt,
Rosa, entscheide dich. Mach es wie Augusta, tu, was dein Herz dir sagt und lass
das Schicksal dann seinen Lauf nehmen. Die Sicherheit, dass es optimal für dich
ausgeht, die bekommst du sowieso nicht.
    Ja, okay.
Ich weiß, was ich tue. Ich werde also mit Leo nach Los Angeles fliegen … Aber nur,
wenn sich an der nächsten U-Bahn-Station jemand auf den leeren Platz neben mich
setzt …
    Die Hoffnung
stirbt zuletzt.
    Basti ist
nicht zu Hause. Ich klingele einmal, zweimal, dreimal … Nun muss ich fliegen. Das
Schicksal (oder der liebe Gott?) hat es entschieden. Da kann ich nichts machen.
     
     
     

13. Kapitel
     
    Wie nun alles endet
     
    Weihnachten steht vor der Tür. Noch
ein Adventssonntag, dann ist es so weit.
    Unser Musical
ist bis zum Ende seiner Laufzeit fast vollständig ausverkauft. Ein Riesenerfolg!
    Wenn ich
im Internet meinen Namen eingebe (was ich in den letzten Tagen manchmal, na gut,
andauernd getan habe), dann kriege ich 320.000 Treffer in 0,22 Sekunden. Das finde
ich ziemlich schmeichelhaft, auch wenn nur die Einträge auf den ersten Seiten aussagekräftig
sind. Je weiter man nach hinten geht, desto weniger haben die Treffer mit mir zu
tun.
     
    Leo ist gestern nach Los Angeles
geflogen. Allein!
    Schicksal
und Gott hatten es zwar anders bestimmt, aber letztlich hatte ich das Gefühl, ich
sollte ein Wörtchen mitreden. Ich wollte und konnte mir nichts mehr vormachen –
und ihm auch nicht. Meine Werkstatt im Wedding, mein Lieblingsrestaurant gleich
gegenüber, mein Zimmer bei Vicki, meine Freunde und Freundinnen … Alles war noch
da. Als wäre ich nie weg gewesen.
    Hier gehöre
ich hin.
    Nur eines
konnte ich nicht (zurück-)bekommen. Meinen Freund Basti. Die Erkenntnis tat weh.
Seit der Premiere der ›Love dreams‹ versuchte ich tapfer, nicht mehr so oft an ihn
zu denken. Ich verkniff mir angestrengt, Vicki zu fragen, wer seine hübsche
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