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Herbsttagebuch: Roman (German Edition)

Herbsttagebuch: Roman (German Edition)

Titel: Herbsttagebuch: Roman (German Edition)
Autoren: Kerstin Hohlfeld
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seiner Rede innehält.
    Dann lacht
er.
    »Ach ja«,
sagt er, während ich versuche, rückwärtsgehend und möglichst unauffällig die Szenerie
zu verlassen. »Da ist noch etwas, von dem ich euch erzählen muss. L.A. betreffend.
Ihr könnt es euch wahrscheinlich schon denken. Rosa? Kommst du mal!«
    Wie bitte?
Will er etwa offiziell verkünden, dass ich mit ihm nach L.A. gehe? Ist das nicht
ein bisschen übertrieben? Er soll die Leute in Ruhe frühstücken lassen! Die arme
Marlene wird vor Kummer an einem Brezelstück ersticken. Ich merke, dass ich rot
wie eine Tomate werde. Die Situation überfordert mich. Egal, was ich jetzt mache
… ich stoße jemanden vor den Kopf. Mist!
    Ich bleibe
stehen, habe noch das Handy am Ohr.
    »Rosa?«,
sagt Vicki leise. Sie hat Leos Worte gehört.
    Leo schaut
mich lächelnd an, streckt einladend die Hand nach mir aus. Vicki wartet still.
    Der Saal
hält den Atem an. Niemand hat eine Ahnung, was genau vor sich geht. Aber alle starren
gebannt. Keiner sagt etwas.
    Eins, zwei,
drei … Wäre hier eine Uhr, könnte man sie ticken hören.
    Leo runzelt
ungeduldig die Stirn. Mir bricht der Schweiß aus.
    »Ich muss
… äh … ich muss mal kurz weg«, stottere ich. »Leo, entschuldige. Ich komme gleich
wieder, ja?«
    Himmel!
Ist das peinlich. Er wird sauer sein, aber ich kann nicht anders. Und schon laufe
ich aus dem Saal, die langen Flure entlang, am Pförtner vorbei, hinaus auf die Straße.
Und noch während ich renne, weiß ich, dass es die richtige Entscheidung war. Sollen
sie doch alle die Köpfe zusammenstecken und tuscheln. Meinetwegen kann Leo brummig
sein. Ich werde es ihm später erklären.
    In Kletzin
gibt es wider Erwarten ein Happy End. Und was für eins! Wie Weihnachten und Ostern
zusammen. Das will ich mir einfach nicht entgehen lassen.
     
    *
     
    »Wir saßen beim Morgenkaffee«, sagt
Vicki und überholt in halsbrecherischem Tempo einen LKW. »Und da hatte ich einen
Geistesblitz.«
    »Und der
wäre?«
    »Na, das
schreckliche Augusta-Gemälde!«, schreit meine Freundin und haut sich mit der flachen
Hand gegen die Stirn. »Daniel musste auf eine Leiter steigen und es herunterholen.
Und dahinter war tatsächlich ein dicker brauner Umschlag festgeklebt, mit allem
drin, was wir brauchen. Besitzurkunde, geändertes Testament …«
    »Wieso geändert?«
    »Augusta
hat, als hätte sie geahnt, dass sie keine Kinder bekommen wird, bestimmt, dass Kletzin
an Klara, die Tochter ihrer Cousine, übergeht … und später wiederum deren erster
Tochter gehört und so weiter.«
    »Und eine
davon bist du!«
    »Scheint
so«, sagt Vicki. »Wir sind hingefahren. Nach Kletzin. Daniel hat mich überredet,
nachdem du ihn mit diesem ganzen Quatsch angesteckt hattest. Und dann ist es passiert.
Ich fand es himmlisch da draußen. Und dieses Haus! Ich konnte mich selbst im Wintergarten
sitzen und arbeiten sehen, während mein Kind in der Auffahrt mit seinem Dreirad
herumfährt.«
    Ich verkneife
mir die Bemerkung, dass wohl nicht nur ich romantische Anwandlungen habe. »Verrückt«,
sage ich. »Wie bist du auf die Idee gekommen, hinter dem Bild nachzuschauen?«
    »Fahr, du
Schnecke«, flucht Vicki und haut einmal kräftig auf die Hupe.
    »Ich wusste
gar nicht, dass du ein Verkehrsrowdy bist«, sage ich und gehe unwillkürlich in Deckung,
als Vicki die Schnecke kurzerhand rechts überholt. Die Stadtautobahn ist heute ihre
Rennstrecke.
    »Ich habe
mich in dich hineinversetzt«, antwortet Vicki und beschleunigt auf 130 Kilometer
je Stunde.
    »Wie soll
ich das verstehen?«, frage ich lachend.
    »Ich habe
mir vorgestellt, wie das ist, wenn man wie du den ganzen Tag mit romantischen Fantasien
durch die Gegend läuft, und was du tun würdest, wenn du etwas vor einem bösen Menschen
verstecken wolltest. Und dann war es ganz leicht.«
    »Komisch«,
sage ich lachend. »Wir haben neulich deine halbe Wohnung auf den Kopf gestellt.
Aber diese Idee hatte ich nicht.«
    Vicki lacht
auch. »Hat mir Daniel schon erzählt.«
    »Wo ist
er eigentlich?«
    »Er ist
bei seinem Bekannten. Dem Anwalt«, sagt Vicki. »Der soll unserem Einspruch den nötigen
Nachdruck verleihen.«
    »Meinst
du, das bringt was?«
    Vicki zuckt
die Schultern. »Die einstweilige Verfügung muss ein Richter aussprechen. Und an
den kommen wir so schnell nur mithilfe eines zackigen Anwalts heran …«
    »… und so
lange müssen wir beide die Bagger aufhalten?« Mir rutscht das Herz in die
Hose.
    »Müssen
wir wohl«, sagt Vicki. »Mensch, ey, schlaf dich zu
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