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Herbstfraß

Herbstfraß

Titel: Herbstfraß
Autoren: Sandra Busch
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gelangen wir in die Speicherstadt und halten vor unserem Haus. Bo erlebe ich heute wütend wie nie. Ehe ich auch nur die Wagentür öffnen kann, ist er schon im Haus verschwunden. Irgendwie beschleicht mich das bange Gefühl, dass ich mich zusammen mit Louisa auf die Suche nach einem neuen Freund begeben kann. Und das alles, weil ich eine einzige blöde Frage gestellt habe. In was für ein Wespennest habe ich bloß gestochen, dass Bo derartig empfindlich reagiert? Ich klemme mir Ingos Notebook unter den Arm, stecke sein iPhone in die Jackentasche und betrete unser Büro. Louisa sitzt starr an ihrem Schreibtisch und schaut mich mit großen Augen an.
    „Bo ist gerade wie ein Wilder an mir vorbeigeschossen. War das etwa Blut an seiner Jacke?“
    Ich nicke stumm, stelle mit einem Blick fest, dass sie das Büro in der Zwischenzeit aufgeräumt hat, und setze mich auf den Schreibtischstuhl. Das Notebook lege ich sehr sorgfältig auf den Tisch ab.
    „Hattet ihr einen Unfall? Ist etwas passiert?“ Louisa eilt an meine Seite und berührt mich zaghaft am Arm.
    „Wir sind nicht verletzt“, sage ich in dem Versuch sie zu beruhigen. „Und ich kann dir versichern, dass Torben dich zukünftig in Ruhe lassen wird.“
    Louisa wird blass, als sie begreift. „Ihr habt Torben …?“
    „Er wird dich in Ruhe lassen“, wiederhole ich dumpf. Die Süße mustert mich prüfend.
    „Robin, was ist mit dir?“
    „Ich glaube, wir haben uns gestritten“, antworte ich nach einer Weile, denn ich bin mir selbst nicht sicher. Ich weiß bloß, dass Bo wütend auf mich ist. Furchtbar wütend.
    „Wegen Torben? Oh du lieber Gott!“
    „Nein, der Idiot hat keine Schuld. Ich habe ein heiliges Tabu verletzt.“
    Louisa beugt sich zu mir herunter, legt ihre Arme um mich und schmiegt ihre Wange an meine. Es tut gut, so getröstet zu werden.
    „Und was nun?“, fragt sie leise.
    „Soll er sich da oben erst einmal beruhigen.“ Ich tätschle ihre Hände und bemerke, wie winzig sie im Gegensatz zu meinen kräftigen Fingern wirken. Und so ein Püppchen wird von ihrem Freund geschlagen. Beinahe kann ich Verständnis für Bos Verhalten aufbringen. Aber eben bloß beinahe. Kein Wunder, dass mir Bo von seinem Vorhaben nichts erzählen wollte. So gewalttätig habe ich ihn bislang noch nicht erlebt.
    „Was ist mit dem Notebook?“ Louisa bemüht sich mich abzulenken.
    „Das sehe ich mir jetzt genauer an.“ Ich ziehe die Jacke aus und hänge sie an den altmodischen Kleiderständer, der neben der Wendeltreppe steht.
    „Willst du nicht erst einmal Mittag essen?“, fragt Louisa.
    „Mir ist der Appetit vergangen.“
    „Ach, Robin.“ Sie schaut mich weiterhin mitleidig an, dann umarmt sie mich erneut und drückt mich fest. Ein dicker Schmatz findet seinen Weg auf meine Wange.
    „Du bist der Beste, Robin“, erklärt sie und das geht runter wie Öl. Mir gelingt sogar ein kleines Lächeln, als sie mir wenig später kommentarlos eines von ihren belegten Brötchen auf den Tisch legt und eine Tasse Tee dazu stellt. Louisa kehrt auf ihren Platz zurück und vertieft sich in ihre Arbeit. Nur kurz werfe ich einen Blick die Treppe hinauf. Aus unserer Wohnung dringt lediglich Stille zu mir. Und da das Brötchen mich verlockend anlacht, schnappe ich es mir und beiße rein. Hmmm … Nutella. Louisa ist eben wirklich eine Süße.
     
     
    16:56 Uhr
    Der Geruch nach Angst ist einfach überwältigend. Er mischt sich mit dem Gestank, der von den faulenden Knochen in der Ecke ausgeht, lässt sich jedoch nicht leugnen. Die Kette klirrt hektisch. Der Junge hat seine Anwesenheit bemerkt. In der Dunkelheit werden seine Auserwählten sensibler für Bewegungen und Geräusche. Rambo schaltet die mitgebrachte Campinglampe ein. Er will die Furcht in dem Gesicht seines Opfers sehen und genießen. Das drückt sich an die Betonwand und versucht seine Blöße unter der rauen Decke zu verstecken. Die Decke hat er dem Jungen gelassen. Es wird nachts ziemlich kalt und er mag keine Schniefnasen. Um den Hals trägt sein Mitspieler ein Sklavenhalsband, das mit einem Ring in der Wand durch eine Kette verbunden ist. Den Ring hat er selbst dort angebracht, was eine Heidenarbeit gewesen ist. Das Halsband stammt aus einem Fetischshop und hat ihm bereits gute Dienste geleistet.
    „Warum tust du das?“, fragt der Junge leise und starrt ihn an. Er gibt keine Antwort, denn er weiß, dass diese Frage zum Spiel gehört. Anfangs wehren sich seine Mitspieler, flehen ihn an, sie laufen zu lassen und
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