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Herbstfraß

Herbstfraß

Titel: Herbstfraß
Autoren: Sandra Busch
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Spiel.

Erster Ermittlungstag
    Montag, 08. November
    08:31 Uhr
    Neben mir dampft eine heiße Tasse Erdbeer-Pfeffer-Tee, die mir Louisa vor einer Minute erst gebracht hat. Louisa sieht heute wieder klasse aus. Ein wenig aufreizend vielleicht, aber klasse. Über den Rand meines Monitors hinweg beobachte ich sie versonnen, wie sie einen Stapel Abrechnungen sortiert, um ihn nach einem sinnvollen Muster abzuarbeiten. Immer wenn sie sich konzentriert, taucht ihre kleine rosa Zungenspitze zwischen den perfekt, jedoch dezent geschminkten Lippen auf. Mitten in meine angenehmen Betrachtungen hinein piepst mein Rechner. Mit einem Seufzen richte ich den Blick auf den Monitor. Langweilige Daten laufen über den Bildschirm. Ein Job kann eben nicht ständig spannend und voller Action sein.
    Als Schritte auf der Wendeltreppe die Ankunft meines Mannes ankündigen, sehe ich erneut auf. Hat die Schlafmütze also endlich aus dem Bett gefunden. Die Wendeltreppe verbindet die Büroräume mit unserer Wohnung, was ganz praktisch ist, vor allem, wenn man so eine Schlummertrulla wie Bo sein eigen nennt. Jetzt schaut Louisa verstohlen auf, als seine nackten Füße und die langen Beine auf der Treppe sichtbar werden. Louisa ist in Bo verknallt. Alle sind in Bo verknallt. Ich natürlich ebenfalls. Mit dem feinen Unterschied, dass Bo zu mir gehört.
    „Moin“, sagt mein Liebster, der noch diesen erregenden Schlafzimmerblick im Gesicht hat. Seine verwaschene Jeans hängt ihm viel zu tief auf den Hüften. Ein kleines Stückchen tiefer und Louisa fällt ohnmächtig vom Stuhl, zumal Bo nichts vom Tragen irgendwelcher Unterwäsche hält. Über dem Hosenbund befinden sich gut erkennbar straffe Bauchmuskeln und ein durchtrainierter Oberkörper mit breiten Schultern, da Bo im Augenblick auch keinen Pulli trägt. Sein blondes, halblanges Haar, das sich hartnäckig zu kleinen Locken ringelt, ist verwuschelt. Absicht oder ungekämmt bleibt mal dahingestellt. Augen, die die Farbe frischer, grüner Weintrauben haben, blinzeln mir frech entgegen.
    „Guten Morgen, Bo. Kaffee?“ Louisa springt sofort auf und bringt meinem Mann einen großen Becher vom Extrastarken.
    „Danke, Süße. Hübsch siehst du heute aus. Neues Kleid?“ Bo fallen solche Sachen immer auf und das unterstreicht seinen natürlichen Charme.
    Louisa wird ein wenig rot, nuschelt etwas Undeutliches und vertieft sich rasch in ihre Arbeit. Bo nimmt einen Schluck aus seinem Becher und wirft mir einen Blick zu, unter dem es mir ziemlich warm wird. Lässig lehnt er sich gegen einen Aktenschrank, als würde er für ein Modemagazin posieren. Sein Lächeln ist eindeutig provokant und prompt wird meine Hose zunehmend enger. Unruhig rutsche ich hin und her, um gewisse Dinge neu zu sortieren.
    „Was liegt heute an?“, fragt er mich.
    „Eine Wirtschaftsprüfung.“ An dieser Arbeit sitze ich gerade, da ich genau weiß, wie Bos Einstellung in Bezug auf Kostenkalkulationen und Bilanzen ausschaut. Während ich zwischendurch ganz gerne mal mit Zahlen jongliere, ist Bo eher wie ein Pitbull veranlagt: Schnüffeln, jagen und sich in greifbare Dinge verbeißen.
    „Weiterhin haben wir eine Ehefrau, deren Gatte angeblich fremd geht; ein Ehepaar, das seinen verschwundenen Sohn sucht und Oma Jansen, deren Sniggle schon wieder ausgebüxt ist. Dein Job, Bo.“ Das sage ich nicht ohne eine gewisse Schadenfreude.
    Nach meinem Wirtschaftsstudium hatte ich als unbeachteter Laufbursche bei einer großen Detektei angefangen, die sich auf Mietrecht spezialisiert hatten. Es wurde wegen vorgetäuschtem Eigenbedarf ermittelt und Vermögensrecherche betrieben, wenn Mietforderungen offen standen. Das war auf die Dauer furchtbar langweilig. Vor ein paar Jahren habe ich mich schließlich mit meiner eigenen Detektei selbstständig gemacht und nach einer geeigneten Immobilie gesucht. Mein Augenmerk hatte ich dabei auf die Speicherstadt mit ihrer Wilhelminischen Backsteingotik aus der Gründerzeit gerichtet. Ich liebe es, wie die Gebäude im Dunkeln beleuchtet werden und sich die Fassaden in den Fleeten und Schuten spiegeln.
    Oma Jansens Mann besaß ein Kontor in der Speicherstadt, das nach seinem unerwarteten Tod bis auf den Wohnraum nicht mehr genutzt wurde. Daher hat mir die alte Dame das mehrstöckige Haus zu einem Spottpreis verkauft und sich lediglich ein lebenslanges Bleiberecht eingeräumt. Oma Jansen stellte mir überdies Louisa vor, als die Detektei einigermaßen gut lief. Louisa brauchte dringend einen Job und ich eine
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