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Herbstfeuer

Herbstfeuer

Titel: Herbstfeuer
Autoren: Lisa Kleypas
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Hintertreppe ging. Irgendjemand musste ihm eine Frage gestellt haben wegen der Frau, die er über der Schulter trug, denn sie hörte, wie er lachte und sagte: „Meine Liebste ist ein wenig angesäuselt, fürchte ich. Hat eine Schwäche für Gin. Bei gutem französischem Brandy rümpft sie die Nase, das kleine Dummchen.“ Die Bemerkung löste Gelächter aus, und Lillian unterdrückte ihren aufsteigenden Zorn. Sie zählte die Stufen, die St. Vincent erklomm – achtundzwanzig waren es, mit einem Absatz dazwischen. Sie hatten das obere Stockwerk des Hauses erreicht, und durch eine Tür betraten sie einen Korridor mit einer Reihe von Zimmern. Unter dem Mantel erstickte Lillian fast, während sie sich fragte, an wie vielen Türen sie wohl vorbeigekommen sein mochten. Dann betraten sie ein Zimmer, und St. Vincent schob die Tür mit dem Fuß zu.
    Er trug Lillian zum Bett, legte sie vorsichtig nieder, nahm ihr den Mantel ab und strich ihr die wilden Locken aus dem geröteten Gesicht.
    „Ich werde mich davon überzeugen, dass sie ein gutes Gespann zusammenstellen“, sagte St. Vincent leise. Seine Augen funkelten wie Diamanten, genauso strahlend und genauso kalt. „Ich bin bald zurück.“
    Lillian fragte sich, ob er jemals etwas für irgend jemanden oder irgendetwas empfunden hatte oder ob er sich durchs Leben bewegte, als wäre er ein Schauspieler auf einer Bühne, und einfach tat, was gerade angemessen erschien. Etwas in ihrem Blick brachte sein Lächeln zum Verschwinden, und er zog einen Schlüssel aus seinem Mantel hervor. Plötzlich wurde sie ganz aufgeregt. Er drehte sie auf die Seite und öffnete die Handschellen. Als ihre Arme frei waren, konnte sie einen Seufzer der Erleichterung nicht unterdrücken. Leider war ihre Freiheit nicht von Dauer. Mühelos fasste er nach ihren Handgelenken, hob sie zu dem eisernen Gestänge des Bettgestells und befestigte sie dort. Obwohl Lillian sich anstrengte, es ihm so schwer wie möglich zu machen, hatte sie doch ihre Kräfte noch nicht ganz zurückerlangt.
    Wie sie so auf dem Bett lag, die Arme hoch über den Kopf gestreckt, ließ Lillian ihn nicht aus den Augen. St. Vincents Blick glitt über ihren Körper, und sie wussten beide genau, dass sie vollkommen seiner Gnade ausgeliefert war. Bitte, lieber Gott, er soll mich nicht … dachte sie. Weder wandte sie den Blick ab, noch wich sie zurück, denn sie spürte, dass er sie auch deshalb bisher in Ruhe gelassen hatte, weil sie keine Spur von Furcht gezeigt hatte.
    Doch ihre Kehle war wie zugeschnürt, als St. Vincent eine Hand ausstreckte und ihre nackte Haut über dem Hemdausschnitt berührte. „Ich wünschte, wir hätten ein wenig Zeit“, sagte er leichthin. Ohne den Blick von ihrem Gesicht abzuwenden, ließ er die Finger über ihre Brust gleiten, sodass die Spitze hart und fest wurde. Verlegen und wütend, wie sie war, atmete Lillian schwerer.
    Langsam zog St. Vincent die Hand zurück und stand auf. „Bald“, sagte er leise.
    Lillian lauschte auf den Klang seiner Schritte, hörte, wie die Tür geöffnet und wieder geschlossen wurde und er von außen den Riegel vorlegte. Lillian reckte den Hals, um die Handschellen zu betrachten, mit denen sie ans Bett gefesselt war. Dann schob sie sich höher auf dem Bett, bis es ihr gelang, aus ihren gelösten Haaren eine Nadel zu ziehen. Sie bog sie auseinander, knickte ein Ende etwas ein und schob die Nadel ins Schloss. Das Öffnen erwies sich indes als schwieriger, als sie gedacht hatte, und die Nadel verbog. Fluchend zog Lillian sie zurück, brachte sie wieder in die richtige Form und versuchte es ein zweites Mal, wobei sie die ganze Zeit über Druck ausübte gegen den inneren Rand des Ringes. Plötzlich vernahm sie ein lautes Klicken, und die Handschelle ging auf.
    Sie sprang aus dem Bett, als hätte sie sich verbrannt, und hastete zur Tür, während die Handschellen noch von ihrem Arm baumelten. Im Laufen riss sie das Tuch von ihrem Mund, spuckte den Knebel aus und machte sich daran, die Tür zu öffnen. Mithilfe einer weiteren Haarnadel gelang es ihr, auch dieses Schloss zu überwinden.
    „Gott sei es gedankt“, flüsterte sie, als die Tür aufsprang. Aus der Taverne unten hörte sie Stimmen und Geräusche, und sie vermutete, dass ihre Chancen, im Innern des Hauses eine mitfühlende Seele zu finden, weitaus größer waren als draußen, wo Lakaien und Kutscher umhereilten. Sie warf einen raschen Blick den Gang hinunter, und als sie niemanden kommen sah, trat sie über die
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