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Herbstfeuer

Herbstfeuer

Titel: Herbstfeuer
Autoren: Lisa Kleypas
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sich, sich an ihn zu lehnen, noch immer voller Angst, dies hier sei nicht die Wirklichkeit und sie würde aufwachen und sich wieder bei St. Vincent finden. Marcus flüsterte beruhigende Worte und hielt sie fest, behutsam und doch so, dass keine zehn Männer es fertiggebracht hätten, sie von ihm zu lösen. So sicher geborgen in seinen Armen, wagte sie es, aufzusehen, und entdeckte Simon Hunt, der auf sie zukam.
    „Mr. Hunt“, sagte sie überrascht, während Marcus ihre Schläfe küsste.
    Hunt musterte sie besorgt. „Geht es Ihnen gut, Miss Bowman?“
    Sie musste sich ein wenig herumdrehen, um trotz Marcus’ Küssen sprechen zu können. „O ja, ja. Wie Sie sehen, bin ich unverletzt.“
    „Das erleichtert mich sehr“, erwiderte Hunt und lächelte. „Ihre Familie und Ihre Freunde waren sehr beunruhigt über Ihr Verschwinden.“
    „Die Countess …“, begann Lillian und verstummte, weil sie sich zu fragen begann, wie sie Marcus von dem Ausmaß dieses Verrats berichten sollte. Dann allerdings sah sie die grenzenlose Besorgnis in seinen Augen, und sie fragte sich, wie sie ihn jemals für gefühllos hatte halten können.
    „Ich weiß, was geschehen ist“, sagte er leise und strich ihr das Haar glatt. „Du wirst sie nie wieder sehen müssen.
    Wenn wir nach Stony Cross Park zurückkehren, wird sie fort sein.“
    Trotz all der Fragen und Sorgen, die sie beschäftigten, fühlte Lillian sich plötzlich unendlich erschöpft. Der Albtraum hatte ein Ende gefunden, und wie es schien, gab es im Augenblick nichts, was sie tun konnte. Den Kopf an Marcus’ Schulter gelehnt, wartete sie stumm ab und hörte kaum, was noch besprochen wurde.
    „… muss St.Vincent finden“, sagte Marcus.
    „Nein“, erklärte Simon Hunt nachdrücklich. „Ich werde St. Vincent suchen. Du kümmerst dich um Miss Bowman.“
    „Wir müssen allein sein.“
    „Ich glaube, gleich hier gibt es einen kleinen Raum – mehr so etwas wie ein Vestibül…“
    In diesem Moment verstummte Hunt, und Lillian fühlte eine ungewohnte Anspannung in Marcus’ Körper. Er drehte sich zur Treppe um.
    St. Vincent erschien, nachdem er das gemietete Zimmer von der anderen Seite des Gebäudes her betreten und es verlassen gefunden hatte. Auf der Hälfte der Treppe blieb er stehen und betrachtete die Szene, die sich ihm bot – die verwirrten Zuschauer, der Wirt – und der Earl of Westcliff, der ihn mit unverhohlenem Blutdurst ansah.
    In jenem einzigen Augenblick verstummten sämtliche anwesenden Gäste, sodass Westcliffs Worte von niemandem überhört werden konnten. „Ich schwöre, ich werde dich umbringen.“
    Benommen murmelte Lillian: „Marcus, warte …“
    Ohne weitere Umstände schob er sie zu Simon Hunt, der reflexartig nach ihr griff, während Marcus zur Treppe stürmte. Dabei sprang er über das Geländer und landete auf den Stufen wie eine Katze. St. Vincent wollte gerade den strategischen Rückzug antreten, doch Marcus warf sich nach vorn, umfasste seine Beine und zerrte ihn hinunter. Sie fielen, fluchten und schlugen nach einander, bis St. Vincent mit dem Fuß auf Marcus’ Kopf zielte. Um dem schweren Stiefel auszuweichen, musste Marcus ihn kurz loslassen. Sofort sprang der Viscount die Stufen hinauf, Marcus hinterher. Rasch waren sie beide außer Sichtweite. Eine begeisterte Menschenmenge folgte ihnen, gab gute Ratschläge, schloss Wetten ab und begutachtete entzückt, wie zwei Adlige wie Kampfhähne aufeinander losgingen.
    Bleich im Gesicht, sah Lillian Simon Hunt an, der sie anlächelte. „Wollen sie ihm nicht helfen?“, fragte sie.
    „O nein. Westcliff würde mir niemals verzeihen, wenn ich mich einmische. Dies ist seine erste Wirtshausschlägerei.“ Wohlwollend schaute er Lillian an. Sie war ein wenig schwach auf den Beinen, und er legte eine Hand auf ihren Rücken, um sie zu einer Gruppe von Stühlen zu führen. Von oben war Lärm zu hören.
    Schwere Schritte, die das ganze Gebäude erschütterten, gefolgt von dem Geräusch splitternden Glases.
    „So“, sagte Hunt, ohne auf den Tumult zu achten, „und jetzt würde ich gern einen Blick auf die verbliebene Handfessel werfen, damit ich etwas dagegen tun kann.“
    „Das können Sie nicht“, sagte Lillian. „Der Schlüssel steckt in St. Vincents Tasche, und ich habe keine Haarnadeln mehr.“
    Hunt nahm neben ihr Platz und betrachtete nachdenklich ihr Handgelenk. Schließlich erklärte er mit – wie ihr schien – ganz unangemessener Zufriedenheit: „So ein Glück. Ein
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