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Hera Lind

Hera Lind

Titel: Hera Lind
Autoren: Männer sind wie Schuhe
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zu!«
    »Aber Frau von Thalgau«, widersprach Frau Zweifel energisch. »Jeden kann ich wegschicken. Auch den amerikanischen Präsidenten. Aber den – den kriegen keine zehn Pferde aus dieser Musikschule! Sie wissen ja: der penetranteste Vater der ganzen Stadt.«
    Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Es war mir peinlich, so ratlos zu sein!
    »Er will, dass seine Viktoria beim Konzert heute Abend neben dem Wiener Philharmoniker auf der Bühne sitzt!«
    »Woher weiß er denn überhaupt, dass der Wiener Philharmoniker hier ist?«
    »Keine Ahnung, aber Sie wissen ja: Er hört das Gras wachsen!«
    Das Grinsen des Wiener Philharmonikers wurde immer breiter. Aber was der schöne Fremde nicht wissen konnte: Frau Zweifel hatte leider recht. Ich hatte noch nie in meinem Leben mit einem penetranteren Menschen zu tun gehabt als mit Bäckermeister Gerngroß. Der war felsenfest davon überzeugt, seine Tochter Viktoria habe mit ihrer Klarinette das Zeug zum Weltstar, doch ich würde ihr Talent aus Bösartigkeit oder Ignoranz einfach nicht anerkennen. Aber es gibt Momente im Leben, die kommen nicht wieder. Und das war so einer.
    »Frau Zweifel, sagen Sie dem Bäckermeister, ich bin heute Morgen mit Blaulicht abgeholt worden. Ihnen wird schon irgendwas einfallen.« Ich schickte ein Lachen hinterher, das eine klitzekleine Spur zu schrill geriet.
    »Der Bäckermeister hat Ihre Stimme schon gehört. Er wartet auf dem Flur und weiß, dass Sie im Hause sind.«
    Ich stand entschlossen auf: »Der Bäckermeister hat jetzt keinen Termin.« Mit diesen Worten schloss ich energisch die Tür. Brunhilde Zweifel konnte gerade noch ihre wogenden Weichteile in Sicherheit bringen.
    »Es tut mir leid«, sagte ich endlich wieder an Christian Meran gewandt und schluckte nervös. »Das sind so die Probleme einer Kleinstadtmusikschulleiterin.«
    »Lassen Sie den Bäckermeister doch rein!« Der Flötist lächelte mich aufmunternd an. »Wenn er frische Brötchen dabeihat?«
    »Sie kennen den Herrn nicht«, sagte ich dumpf. »Aber wenn Sie ihn kennen, machen Sie lieber eine Nulldiät.«
    Der Bäckermeister litt eindeutig unter Größenwahn, was seine Tochter Viktoria anbelangte. Dabei war die Zwölfjährige wirklich begabt, und ich mochte das Mädchen auch sehr. Aber ihr Vater war das reinste Brechmittel. Die arme Vicki hätte wirklich einen anderen Vater verdient, nach allem, was sie schon hatte durchmachen müssen.
    »Ich bin beeindruckt, wie Sie das hier alles managen!« Und das sagte ausgerechnet Christian Meran, die »goldene Flöte«! Ich hatte sie schon oft im Fernsehen gesehen, also alle beide, den Mann und seine Flöte, ganz groß in Nahaufnahme. Der Mann musizierte nicht nur hinreißend, er sah auch noch außer gewöhnlich gut aus. Christian Meran hatte volles dunkles Haar, das ihm beim Spielen in die Stirn fiel wie in der Shampoowerbung. Und nun saß er hier bei mir in dieser muffigen Musikschule und war bereit, heute Abend spontan im Konzert mitzuspielen! In meinem Schülerkonzert! Ich lehnte mich Halt suchend ans Fenster. Meine roten Haare, die sich heute noch weniger bändigen ließen als sonst, umloderten förmlich mein Gesicht. Und das war schon rot genug vor lauter Aufregung.
    Draußen ragte der weihnachtlich beleuchtete Kirchturm von Heilewelt in den Himmel. Schnee fiel lautlos auf das Blechdach der gegenüberliegenden Sparkasse und blieb dort liegen wie Puderzucker. So schön der Anblick auch war, erinnerte er mich doch an meine Hausfrauenpflichten. Jetzt hatte ich es noch nicht mal mehr geschafft, für den morgigen Heiligabend einzukaufen! Geschweige denn Vanillekipferl und Zimtsterne zu backen wie jede andere Hausfrau in Heilewelt. Mein Leben verlief hektisch bis chaotisch, ich tanzte auf mehreren Hochzeiten gleichzeitig. Aber welche berufstätige Mutter tut das nicht? Dafür hatte ich einen echten Wiener Philharmoniker in unsere Musikschule locken können! Und nicht nur irgendeinen, sondern DEN Soloflötisten! Man kann eben nicht alles haben. Die Herren der Schöpfung beschimpft auch keiner als schlechte Hausmänner, nur weil sie beruflich aufgehalten werden. Hätte mein Lebensgefährte Jürgen Immekep pel beispielsweise Penelope Cruz für einen Bauspar-Werbespot in seine Sparkasse gelockt, hätte ICH da auf seinen Haushaltspflichten bestanden? So nach dem Motto: Wo warst du, warum hast du nicht eingekauft und gekocht? Warum haben die Kinder Rotznasen, und wo sind die Geschenke? Warum steht der Baum noch nicht, und was guckst du so
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