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Hera Lind

Hera Lind

Titel: Hera Lind
Autoren: Männer sind wie Schuhe
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gefunden.
    »Des passt mir ganz genau. Des will ich ja grad erraichn. Des mer mit den internationalen Stars zusammenarbeidn. Da samma ganz vorrn dabai!« Er steckte meinem Gast die fleischige Hand hin: » Gerngroß . Ich bin der Vadda von der Viktoria. Die Vicki spielt die Klarinedde. Haben Sie die schon bemerkt?«
    »Ich weiß nicht …«
    »Die Vicki kann man gar nicht übersehen, die sitzt nämlich …«
    »Gerngroß!«, zischte ich und ballte die Hände heimlich zu Fäusten.
    »Ich mach die besten Bauernkrapfen im Umkreis von hundert Kilometern. Außerdem bin ich CDU-Mitglied und wär fast schon mal Börchermaister von Heilewelt geworden.«
    Ich verdrehte genervt die Augen. Das wäre definitiv das Aus für unsere liebe Kleinstadt gewesen. Bäckermeister Gerngroß würde nicht mal davor zurückschrecken, einen Weltkrieg an zuzetteln, wenn seine Viktoria dadurch Karriere machen konn te. Mein Blick glitt ebenso Hilfe suchend wie wütend zu Brunhilde Zweifel, aber die hatte sich bereits mit erstaunlicher Wendigkeit aus der Gefahrenzone gebracht.
    Christian Meran warf mir einen verständnisvollen Blick zu. »Auf Ihre Krapfen bin ich gespannt«, sagte er höflich zum aufgeregten Bäckermeister. »Und auf Ihre Tochter Vicki natürlich auch. Ich wollte sowieso gerade gehen.« Er griff nach seinem Flötenkoffer und wandte sich zur Tür.
    Am liebsten hätte ich den Koffer genommen und ihn dem Bäckermeister über den Schädel gezogen! Er hatte es tatsächlich geschafft, meinen Besuch zu vertreiben!
    Freundlich lächelnd gab Christian Meran mir die Hand: »Frau von Thalgau, wir sehen uns ja heute Abend im Konzert. Die Tempi haben wir besprochen, und wenn Sie so dirigieren, wie Sie die Musikschule leiten, werden wir nicht in Turbulenzen kommen.«
    Ich wollte aber mit diesem Mann in Turbulenzen kommen! Allzu gern! Doch wer kommt in Heilewelt schon in Turbulenzen, wenn er drei Kinder und einen biederen Sparkassenleiter zu Hause hat? Der Einzige, der mir hier Turbulenzen machte, war ein größenwahnsinniger Bäcker, der sein behindertes Kind der Weltöffentlichkeit zum Fraß vorwerfen wollte. Aber das war doch kein Grund, einen Kinderstar aus ihr zu machen? Wenn Heilewelt ein Froschtümpel war, dann war der Bäckermeister der lauteste Frosch mit der größten Kehlkopfblase. Irgendetwas in mir sträubte sich dagegen, sein vom Schicksal gebeuteltes Mädchen ins grelle Scheinwerferlicht zu zerren. Der Bäckermeister sollte lieber weiterhin kleine Brötchen backen – was er wirklich gut konnte – und hinter seinen Ofen gehen!
    Gern hätte ich die filigrane Flötistenhand länger festgehalten, doch wieder wurde ich vom Bäckermeister verdrängt.
    »Sagn S’ mal.« Der Bäckermeister hinderte den Flötisten am Gehen und klopfte ihm jovial auf die Brust: »Sie sind doch bei einem Weltklasseorchester. Sie haben doch die besten Kontakte.«
    Christian Meran schaute mich fragend an. Ich verdrehte die Augen. Ich wusste genau, was jetzt kam.
    »Meine Vicki ist was ganz Besonderes. Man könnt sie weltweit vermarkten und richtig Kohle mit ihr machen. Sie sitzt nämlich …«
    »Sie sitzt im Orchester«, unterbrach ich ihn mit schneidendem Ton. »Wie viele andere Kinder auch.«
    »Ja, aber sie spielt ausgesprochen gut Klarinedde. Und sie ist eben anders als die anderen. Des kommt gut rüber. Auch wer klassische Musik nicht mag, schaut hin, wenn des Mädel spielt.«
    »Gerngroß!« Ich konnte mich gerade noch zurückhalten, ihm eine Stimmgabel an den Kopf zu werfen.
    »Bildhübsch isse. Blonde lange Haare, ganz zartes Mädchen, wiegt kaum vierzig Kilo. Was könn mer denn da machn?«
    Christian trat instinktiv einen Schritt zurück. »Das wird Frau von Thalgau Ihnen sicher sagen können. Schließlich ist sie die Direktorin dieser Musikschule.« Er zuckte hilflos mit den Achseln, als er mein wütendes Gesicht sah.
    »Naa, die unterstützt mich net!« Der Bäckermeister war aufrichtig erbost. »Meine Vicki ist das Beste, was diese Musikschul zu biedn hat. Heilewelt könnte weltweit berühmt werden! Wir könnten die internationale Presse kriegn! Aber die Lodda will des net!«
    »Ich will nur deine Tochter nicht in die Öffentlichkeit zerren, Gerngroß! Die soll hier eine schöne Kindheit haben, nach alldem, was ihr widerfahren ist!«
    Christian Meran sah von einem zum anderen. Was ist ihr denn widerfahren?, schienen seine braunen Augen besorgt zu fragen. Außer diesem Vater? Kann es da noch eine Steigerung geben?
    Der Bäckermeister wischte
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