Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hera Lind

Hera Lind

Titel: Hera Lind
Autoren: Männer sind wie Schuhe
Vom Netzwerk:
gestresst? Nur von uns Frauen wird das alles erwartet. Berufstätig, eine tolle Mutter und Hausfrau sein, super aussehen und immer gute Laune haben. Die Welt ist so was von unfair!
    Aber Moment mal, warum schaute mich dieser Flötist denn so belustigt an? Hatte ich etwa Selbstgespräche geführt? Ich räusperte mich verlegen und klammerte mich an den Heizkörper hinter mir. Oh Gott! Heute Abend war DAS Konzert. Das Konzert, von dem die ganze Stadt seit Wochen sprach, ach, was sage ich: seit Monaten. Und ich hatte mich noch nicht mal geschminkt und meine tausend Sommersprossen abgedeckt, wo doch dieser schöne Musikus hier war. Leider auch der unsägliche Bäckermeister! Auf einmal herrschte Totenstille. Das Klimpern und Geigenkratzen, das Tröten und Blasen der Übenden schien wie auf Kommando verstummt zu sein. Nur mein Herzklopfen war weithin zu hören.
    »Also … wo waren wir stehen geblieben?« Ich fuhr mir nervös über die Stirn. »Wie gesagt, ich bin überglücklich, dass Sie in unsere schöne kleine Stadt Heilewelt gekommen sind und uns bei unserem Konzert heute Abend unterstützen wollen.«
    Ich fröstelte und schwitzte zugleich. Wir hatten überhaupt noch nicht über das Honorar geredet! Es würde hoffentlich nicht fünfstellig sein?! Panik erfasste mich. Dieser Weltklassemusiker war sicher nichts anderes gewöhnt. Ich würde mir seine goldene Flöte nie leisten können! Auch wenn die Heilewelter Sparkasse der Sponsor der Musikschule war – genauer gesagt mein Lebensgefährte Jürgen Immekeppel, der Direktor ebenjener Sparkasse –, musste ich mit diesem Geld gut haushalten.
    »Es macht mir Spaß, mit Kindern zu musizieren«, erwiderte Christian Meran lächelnd. »Erstens liebe ich ›Peter und der Wolf‹. Und zweitens … unter so charmanter Leitung!«
    Er schenkte mir einen vielsagenden Blick, und mein Magen zog sich plötzlich ganz komisch zusammen.
    »Ich habe Sie während der Proben beobachtet«, sagte er mit einem warmen Unterton. »Mit welchem Temperament und mit welch ansteckender Begeisterung Sie da ein Orchester aus hundert Kindern dirigieren!« In seinen braunen Augen lag Anerkennung. »Diese Kleinstadt kann sich glücklich schätzen, Sie zu haben.«
    Ich machte den Mund auf, aber kein Ton kam heraus. Das hatte noch niemand zu mir gesagt. Im Gegenteil. Alle ließen mich immer spüren, wie dankbar ich sein müsse, diese Musikschule leiten zu dürfen. Mit dem Geld der Heilewelter Sparkasse, bei der ich dafür einen riesigen Kredit aufgenommen hatte. Verlegen massierte ich mir die Schläfen. Unfassbar, dass mir dieser Weltklassemusiker tatsächlich so zauberhafte Komplimente machte. Wenn der wüsste, was das für ein täglicher Nahkampf war! Die Schüler bekam ich inzwischen gut in den Griff – wenn nur die überehrgeizigen Eltern nicht wären! Ich dachte da vor allem an einen ganz bestimmten Bäckermeister, der im Begriff war, mir meinen Wiener Philharmoniker wegzunehmen. Er würde ihm viel Geld bieten, damit er seiner Vicki Privatstunden gab und sie dann als Meisterschülerin … Abrupt schüttelte ich den Kopf.
    »Ich weiß gar nicht, ob wir uns das überhaupt leisten können«, brachte ich schließlich krächzend hervor. Besser, man sprach die unangenehmen Dinge sofort an. »Unser Budget ist ebenso klein wie unsere Stadt«, stotterte ich mit glühenden Wangen.
    Christian Meran gluckste. »Machen Sie sich wegen der Gage mal keine Sorgen. Ich sehe das als Benefiz-Auftritt. Morgen ist schließlich Weihnachten.« Er bekam jede Menge entzückende Lachfältchen, als er schelmisch hinzufügte: »Früher war ich bei den Pfadfindern, und unser Motto war: ›Jeden Tag eine gute Tat.‹«
    Mein Herz machte einen nervösen Hopser, und ich strahlte wie ein Honigkuchenpferd. Er spielte umsonst! Wie cool war das denn! Ich konnte mein Glück kaum fassen. Das machte unser Konzert zum Jahrhundert-Event! Das war etwas ganz anderes als das Gequietsche aus spuckedurchtränkten Schülerflöten, das ich meinem Publikum sonst zumutete! Am liebsten wäre ich dem Mann um den Hals gefallen! »Sie machen das gratis?«
    Der Wiener Philharmoniker schielte auf den Briefkopf auf dem Schreibtisch, um meinen Namen noch einmal zu lesen: »Liebe Frau … von Thalgau, es ist mir ein Vergnügen! Nachdem ich hier in der Nähe einen Meisterkurs abgehalten habe, kann ich auch noch einen Abend dranhängen.« Er sah mich aus seinen dunkelbraunen Augen warmherzig an. »Als ich auf der Durchreise Ihr Plakat sah, dachte ich: Toll, dass
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher