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Hera Lind

Hera Lind

Titel: Hera Lind
Autoren: Männer sind wie Schuhe
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Sie als Direktorin einer Musikschule so ein anspruchsvolles Konzert auf die Beine stellen. Das unterstütze ich gern.«
    Oh Gott, dachte ich. IST der süß! Den würde ich gern näher kennenlernen. Aber die Nachtigall war zu spät zum Froschtümpel gekommen. Da schwamm schon jede Menge Laich drin herum, ein Froschkönig schwang bereits das Zepter, und ich alte Kröte … Ich musste mich dringend zusammenreißen! Schließlich war ich Mutter von drei kleinen Kindern! Und in festen Sparkassendirektor-Händen!
    Der Flötist war noch nicht fertig: »Sie haben begabte Schüler.«
    Ja!, dachte ich. Besonders die Klarinette spielende Tochter vom Bäckermeister. Der mich bestimmt gleich nerven wird bis zum Wahnsinn. »Na ja, all das habe ich nur aufbauen können, weil die Stadtsparkasse von Heilewelt diese Musikschule großzügig unterstützt!« Ich wies mit dem Kinn auf das Haus gegenüber mit dem grellen Sparkassenschild. Und dem Plakat »Wir sichern Ihren Kindern eine Zukunft«. Dort saß jetzt mein Lebensgefährte Jürgen Immekeppel an seinem Schreibtisch und kümmerte sich um seine Zahlen. Ich hatte ihn noch nie etwas anderes tun sehen. Na, gut, von ein paar wenigen Ausnahmen einmal abgesehen.
    »Großartig«, sagte der Querflötist. Er hatte ein entzückendes Grübchen am Kinn. »Sie haben da was auf die Beine gestellt, was man dieser … ähm … abgelegenen Kleinstadt gar nicht zutrauen würde.«
    »Kleinstadt ist ja noch geschmeichelt für Heilewelt«, beeilte ich mich zu sagen. »Eigentlich ist das eher eine Nachkriegssiedlung vom Reißbrett, die im Lauf der Jahre an die fünfzig Dörfer eingemeindet hat.« Ich rieb mir verlegen die eiskalten Hände. »Aber die Arbeit hier macht wirklich Spaß. Ich kann schalten und walten, wie ich will, habe engagierte Lehrer, hoch motivierte Eltern« – was erst recht geschmeichelt war, wenn man an den größenwahnsinnigen Bäckermeister dachte –, »und es gibt vielversprechenden Nachwuchs.« Ich ertappte mich dabei, wie ich versuchte, das Gespräch in die Länge zu ziehen.
    Christian Merans Lippen kräuselten sich freundlich. »Sogar Ihre drei Kinder sind mit dabei, wie ich dem Programmheft entnommen habe?«
    Ich errötete noch mehr. »Na ja, meine Zwillinge hauen auf Triangel und Trommel herum, und Paul, mein Achtjähriger, spielt schon ganz ordentlich Cello.«
    »Da ist Ihr Mann sicher mächtig stolz auf seine Familie.«
    »Ja. Das ist er.«
    Ich überlegte gerade, ob ich es doch noch schaffen würde, einen Gänsebraten im Supermarkt zu erbeuten, als es klopfte. Ich wusste es! Der Größenwahnsinnige. Der Bäckermeister. Am liebsten hätte ich ihn umgebracht. Noch lieber hätte ich noch stundenlang mit diesem gebildeten und überaus gut aussehenden Flötisten geplaudert.
    Frau Brunhilde Zweifel zwängte sich erneut zur Tür herein. »Frau von Thalgau, er lässt sich nicht abwimmeln!«
    Nein. Das hatte er noch nie getan. Im Gegenteil. Ich musste den Beckenboden anspannen, um das Wutpipi zu unterdrücken. Und da stand er auch schon, mit seinem starren Blick und der Hitlerfrisur. Seine unverwechselbare Gestalt überragte meine Sekretärin wie ein Leuchtturm eine dicke Düne.
    »Lodda, nur zwei Minudn!«, schnarrte er in seinem scheußlichen fränkischen Dialekt.
    Meine Halsschlagader pulsierte. Warum hatte es ihn nur ausgerechnet zu uns nach Niedersachsen verschlagen müssen? Und wie konnte er es wagen, einfach so hereinzuplatzen? Und mich »Lodda« zu nennen wie eine … dahergelaufene Fußballergattin? Jetzt, wo ich wirklich wichtigen Besuch hatte? Zwei Minuten bedeuteten bei ihm zwei Stunden. Er würde uns gleich einen Vortrag über das unglaubliche Talent seiner Tochter halten, darüber, dass sie eine sensationelle Weltkarriere hinlegen und damit Millionen und Abermillionen verdienen könne. Geld, das doch letztlich der ganzen Stadt, dem ganzen Land, ja dem Universum zugutekäme. Ich war mir sicher, dass er seit dem Unfalltod seiner Frau wahnsinnig geworden war. Im Grunde musste man Mitleid mit ihm haben. Erschöpft drückte ich den Rücken durch.
    »Gerngroß, das geht jetzt nicht!« Seinen Vornamen hatte ich vor langer Zeit als unnützes Wissen verbucht. Ich hatte echt Wichtigeres im Kopf! Leider duzten wir uns, wie das zwischen den meisten Eltern und mir so üblich war. »Du siehst doch, ich bin in einer Besprechung! Mit einem Wiener Philharmoniker!«
    Doch davon ließ sich der Bäckermeister nicht abschrecken. Im Gegenteil. Jetzt hatte er ein neues Opfer
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