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Hera Lind

Hera Lind

Titel: Hera Lind
Autoren: Männer sind wie Schuhe
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Wütend steckte sich Ursula eine Zigarette an und qualmte mir die Küche voll. »Den Leuten geht’s einfach zu gut!« Auf ihren Wangen erschienen hektische rote Flecken. Erneut wühlte Ursula Kobalik nach ihrem Handy und schnauzte hinein: »Olga? Du kommst mir bitte zum Putzen! Nein, nicht bei mir, sondern bei meiner Nachbarin, Frau Anita Meran! Die hellgelbe Villa rechts neben uns! Du weißt schon, die mit den Bremer Stadtmusikanten im Garten!«
    Die Skulptur war ein Geschenk der Kobaliks gewesen. Zum Einzug. Sie fanden das stilvoll. Die Bremer Stadtmusikanten aus Marmor. Weil Christian ja Flötist war.
    »Aber ich brauche gar nicht unbedingt …«
    »Pscht!« Ursula Kobalik legte ihren Finger auf die Lippen und bedeutete mir, sie nicht zu unterbrechen. »Ich weiß, dass morgen Heiligabend ist!«, schnauzte sie weiter ins Handy. »Aber diese arme Frau wurde von ihrer Putzfrau verlassen! Ja, was soll sie denn da machen! Was? Ja, meinetwegen, bring deine Schwester mit. Aber nur für den groben Dreck, den Rest machst du.« Triumphierend hielt sie mir ihr Glas hin, das ich gleich wieder füllte. »Hunde und Putzfrauen«, sagte sie zufrieden, »brauchen den gleichen klaren Ton.«
    Moment mal! Wieso organisierte Ursula Kobalik mein Leben? Ich hatte sie schließlich nicht darum gebeten! Mir fiel kurzfristig keine Antwort ein. Ich legte den Kopf schräg wie ein Hund oder vielleicht auch wie eine Putzfrau, die nicht genau verstanden hat, was sie tun soll.
    »Es soll doch alles wunderschön sein, wenn dein Mann wiederkommt!« Ursula Kobalik grinste breit, sodass ich einen Blick auf ihre weiß gebleichten Zähne werfen konnte. Mütterlich tätschelte sie mir die Schulter: »Du brauchst doch morgen Zeit, dich selbst schön zu machen. Also nicht, dass du nicht schön WÄRST! Aber ich wette, für deinen Christian machst du das ganze Programm: Beine rasieren, Duftmaske, Maniküre, Pediküre, Haare schön, Möpse schön …« Sie lachte fett.
    »Ach, Ursula!« Ich lachte auch. Was blieb mir auch anderes übrig? »Meinst du, das mache ich nur an Weihnachten und Ostern?«
    »Nee. Ick weeß ja, dass de früher mal Model warst.« Wenn Ursula Kobalik ihre Vornehmheit vergaß, verfiel sie wieder in ihren Berliner Dialekt. »Und ’n Topmodel gleich dazu! Wenn ick heute die Heidi Klum und diese kleenen ordinären Jänse im Fernsehen sehe, denn denk ick imma, die hätten mal die Anita sehen sollen, als se jung und ledig war, wa!«
    Sie lachte, dass ihr Doppelkinn schwabbelte. »Na ja, und jetzt sind deine Gören schon so hübsch wie de Mutta, wa! Die Große hat ja ’n Buuuusn! Det is ja der Hamma!«
    Sie warf einen Blick auf unseren Konzertflügel, auf dem die gold gerahmten Fotos von unseren Töchtern standen: Grazia, die gerade strahlend ihren Golfpokal entgegennahm, und Gloria, die ganz verliebt ihr Pferd streichelte. »Wo sind se denn, die zwee Küken?«
    »Bei ihren Freunden«, sagte ich lahm. »Vorglühen.«
    »Wat issn det?« Ursula Kobalik nahm die Champagnerflasche und bediente sich einfachheitshalber selbst.
    Das, was du gerade tust!, dachte ich leicht genervt. Aber ich traute mich nicht, das zu sagen. Ursula meinte es gut, das wusste ich, und sie hatte es auch nicht gerade leicht mit ihrem Wolfgang. So kam sie immer mal wieder auf ein Schwätzchen vorbei. Leider ging sie nie freiwillig. Ich musste mir immer einen Trick einfallen lassen, um sie wieder loszuwerden. Sie zog fragend eine Braue hoch, sodass ich mich gleich wieder wie in der Schule fühlte. Ein bisschen ertappt irgendwie.
    »Wat machen die Mädels?« Ihre Stimme hatte einen entrüsteten Unterton.
    »Sie trinken sich warm«, erwiderte ich lasch. »Für eine Party.«
    »Und det erlaubste?!«
    Ich kniff die Lippen zusammen. »Sie sind sechzehn und vierzehn, also was soll ich ihnen da noch verbieten? Außerdem vertraue ich ihnen.«
    »Aba Sex ham se keenen, wa?!«
    »Natürlich nicht«, erwiderte ich hastig. Also, alles musste Ursula Kobalik ja nun auch nicht wissen! Wenn sie allerdings weiterhin scheinbar zufällig sämtliche Schubladen öffnete, wie sie das gern beim Plaudern tat, würde sie bestimmt noch die Pille meiner Ältesten finden. Die ließ sie nämlich völlig ungehemmt überall herumliegen, genau wie ihren Nagellack, ihre Stringtangas und ihre Hygieneartikel. Wir waren ein moderner Frauenhaushalt – warum auch nicht? Deswegen störte es mich auch so, dass gleich ein fremder Jarek und morgen eine fremde Olga hier anrücken würden, um »unseren Dreck
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