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Henry - Das Buch mit Biss (German Edition)

Henry - Das Buch mit Biss (German Edition)

Titel: Henry - Das Buch mit Biss (German Edition)
Autoren: Holly Day
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besitzen, ist ein weit verbreiteter Irrtum. Wie soll
man denn bitte sonst kontrollieren, ob das Gesicht nach dem letzten Imbiss
voller Blutspritzer ist? Und so eitel wie sich einige meiner Artgenossen
aufführen, wäre der Verlust der eigenen Reflektion sicher ein herber Schlag.)
    Mit
einem Mal dachte ich an Kassia und was sie zu meiner Unvorsichtigkeit sagen
würde. Ich hatte noch keinem von meiner Zuneigung für Kaylen erzählt. Niemand
aus der Familie würde es verstehen, dass ich mich nach einem schwächlichen
Pulshaber sehnte. Und das nicht nur in Form eines nahrhaften Snacks.
    Ich
betrachtete eingehend mein Spiegelbild. Sah doch ganz in Ordnung aus. Bleich
wie üblich, noch verstärkt von meinen schwarzen wilden Haaren. Nur der Kopf,
der saß tatsächlich etwas schief. Es klopfte an der Badezimmertür.
    „Henry?“
Das war Kaylen. Mist. Doch selbst in dieser Situation konnte ich nichts dagegen
tun, dass mein Herz einen Hüpfer machte, als ich sie meinen Namen sagen hörte.
    Ja,
zugegeben. Mein Herz steht still und das schon seit einer geraumen Weile. Ja,
ich bin ein blutsaugendes Monster ohne Puls. Und ja, mein Genick ist gebrochen.
Ich gestehe! Jagt mir doch gleich einen Pflock durchs Herz!
    „Jetzt
reiß dich aber zusammen!“, knurrte mich mein Spiegelbild an. Wieder klopfte es.
Diesmal penetranter.
    „Mach
die Tür auf, Junge.“
    Ich
legte die Hände an meinen Kopf und atmete tief durch. Ich mag zwar tot sein,
doch das heißt nicht, dass ich keinen Schmerz empfinde. Aber es musste sein.
Mit einem heftigen Ruck brachte ich meinen Kopf wieder in Position. Es gab ein
unschönes Knacken. In all meinen Nervenbahnen schrie es. Meine Lider flatterten
und für den Bruchteil einer Sekunde fühlte ich mich einer Ohnmacht nahe. Doch
glücklicherweise war der Schmerz nur von kurzer Dauer. Ich spürte bereits, dass
die Knochen wieder zusammenwuchsen.
    Atmen,
atmen nicht vergessen. Ich öffnete die Tür, und kaum dass ich wieder in meinem
Bett saß, fiel der Doktor über mich her. Er betastete meinen Kopf, erst
vorsichtig, dann immer forscher. Ich schnaubte, als sich sein Geruch in meiner
Nase festsetzte. Doc Pearson roch nach Desinfektionsmittel und Mullbinden, sein
Blut irgendwie fischig. Nicht gerade appetitlich, trotzdem fing mein Magen an
zu knurren. Meine letzte Mahlzeit war schon eine Weile her. Es kostete mich all
meine Überwindung, meine Reißzähne nicht auszufahren. Er machte den
Folge-dem-Licht-Trick mit meinen Augen und ließ es sich nicht nehmen, meinen
Körper an jeder unmöglichen Stelle mit einem kleinen Gummihammer zu bearbeiten.
Am Ende dieser nervtötenden Prozedur blieb ihm jedoch nichts anderes übrig, als
festzustellen, dass ich kerngesund war. (Ich dankte allen Göttern dieser Welt
dafür, dass er meinen Puls nicht kontrollierte!)
    Er entschuldigte
sich vielmals für die Aufregung und brummelte etwas von einem defekten
Röntgengerät. Mr. Drake schien immer noch misstrauisch, wenn auch fürs Erste
besänftigt. Doch meine Augen suchten Kaylen. Sie sah beruhigt aus. In meiner
Magengrube verbreitete sich ein warmes Gefühl. Ich redete mir ein, dass das
etwas zu bedeuten hatte. Sie freute sich, dass es mir gut ging. Es war sicher
mehr als die pure Erleichterung, dass sie nicht für meinen Tod verantwortlich
war. Ja, das hatte bestimmt was zu bedeuten.
     
    Noch am selben Abend, als
Kaylen und ihr Vater schon lange gegangen waren (der Doc hatte darauf
bestanden, dass ich mich noch eine Weile ausruhte), betrat ein bekanntes
Gesicht die Notaufnahme. Von all meinen Familienmitgliedern hatten sie ihn
geschickt. Ausgerechnet ihn.
    Nero,
der in meiner Familie meinen großen Bruder spielte.
    Nero,
in dessen Gegenwart ich mir immer so klein und dumm vorkam.
    Nero,
der vermutlich nur auf eine solche Gelegenheit gewartet hatte, um mich fertig
zu machen. Scheinbar war das der erste Teil meiner Bestrafung.
    „Na,
Mathurin…“ Ich hasste es, mit welcher Selbstgefälligkeit er im Türrahmen stand
und meinen Namen sagte, als sei er ein Schimpfwort.
    „Henry,
du Idiot“, zischte ich.
    Was,
wenn uns jemand belauschte? Henry war mein Deckname. Henry Clarke. Wer ewig
lebt, kann es sich eben nicht leisten, immer mit dem gleichen Namen
herumzulaufen. Aber Nero interessierte das mal wieder einen Dreck.
    „Du
sitzt ganz schön in der Scheiße.“ Neros Grinsen wurde noch eine Spur breiter.
Meine Hände ballten sich zu Fäusten.
    „Kassia
und die anderen erwarten eine Erklärung. Ich an deiner Stelle würde mir
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