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Henningstadt

Henningstadt

Titel: Henningstadt
Autoren: Marcus Brühl
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Spermas eines jugend lichen Helden in das blöde Gummi. Isa presst sich gegen seinen Schwanz, seine Eier schlagen gegen sie. Dann löst sich die Spannung aus ihrem Körper, sie wird still, sieht ihn kurz an, ob er noch bei ihr ist, schließt die Augen wie der und liegt still. Henning lässt sich auf sie niedersinken. Er spürt ihren Körper, die Brust an seiner, ihre Beine an den Innenseiten seiner Schenkel, ihren Atem an seinem Hals. Panik steigt in ihm hoch. Er streichelt über ihren Körper und fällt in eine tiefe postkoitale Erschlaffung aller Sinne.
    Steffen ist mit den beiden gekommen. Er ist gekom men, als Henning ihm im Spiegel in die Augen geschaut hat. Sein Sperma hat er auf den Boden gerotzt. Flüchtig tritt er es in den Teppich, damit es nicht so auffällt. Er ver zieht sich wieder in die Küche. Sein Gang ist schwankend, wie er amüsiert feststellt. Er genehmigt sich noch einen und hofft, dass es nicht zur Gewohnheit wird. Dann stürzt er aus dem Haus, geht ein Mal die Straße rauf und runter, kommt dann zurück. Er klingelt, bevor er auf schließt. Isa verabschiedet sich gerade. Sie holt Rosi, Hen nings Mutter, ab. Er ist Isa nicht böse, Henning auch nicht. Hennings Blick hat ihm gezeigt, dass er ihn nicht ver las sen wird. Zum ersten Mal in seinem Leben hat er Vertrauen in den Geliebten, der ihn gerade betrogen hat. Man kann das als Zeichen von Reife wie als Zeichen einer einsetzenden Vertrottelung beurteilen.

92
     
    Ungefähr fünfzig Leute haben sich auf dem Platz vor der Bibliothek versammelt. Henning und Steffen haben es tatsächlich zu einem Papptransparent gebracht. Freiheit für die Gummibärchen war Steffens Vorschlag. Henning fand die Idee nicht so besonders.
    Für eine bürgerliche Öffentlichkeit! war sein Gegen vor schlag. In Sowi haben sie sich durch einen Habermas-Text gequält, und Henning hätte es geil gefunden, wenn er da raus irgendwas hätte machen können. Zum Beispiel ein Transparent. Steffen kennt den Text nicht und findet den Spruch nicht aussagekräftig. Sie entscheiden sich also für Freiheit ist die Freiheit der anderen von Rosa Luxemburg. Das Transparent kommt gut an.
    Christian gönnt Henning einen anerkennenden Blick und stellt sich zu ihnen. Ein paar Leute versuchen, was zu singen. Das scheitert. Die lokale Presse ist anwesend und versucht, ein Blitzlichtgewitter zu entfesseln. Dann muss man warten.
    Jemand dreht sich zu Henning, Steffen und Christian um und sagt: «Friedliche Demo! Weitersagen!»
    Christian lächelt verkniffen, er findet es übertrieben. Henning sagt es weiter. Sie halten nach Isa Ausschau.
    Es ist ein warmer Tag. Henning ist froh, mal was für seine Gleichberechtigung tun zu können. Wenn es erst mal auch nur rumsitzen und da sein ist. Henning fragt Christian aus. Er ist in enthusiastischer Stimmung und merkt nicht, dass Christian genervt ist. Aber intuitiv knüpft Henning sein Hemd auf, und so gelingt es ihm, Christian doch noch für sich zu interessieren.
    Aus dem Augenwinkel sieht Henning eine krass lila far bene Schlaghose vorüberstöckeln. Verwundert blickt er hoch, und es ist der Rücken seiner Mutter. Ganz ohne Zwei fel. Aus irgendwelchen Gründen trägt sie eine knal lige Latz- und Schlaghose über einem hellblauen Oberteil. «Mama!», brüllt er Steffen ins Ohr und winkt ihr.
    Sie dreht sich suchend um, sieht Henning und lächelt zaghaft. Henning strahlt. Er hat ihr zwar davon erzählt, dass es eine Demo gibt, aber sie ist nicht drauf angesprun gen, und direkt zu fragen, ob sie kommen will, hat er sich nicht getraut. Rosi hat sich die Haare à ä la Seventies tou piert, ein passend heftiges Make-up aufgetragen und sieht für eine Mutter wundervoll aus. Eine richtige Erschei nung! Findet jedenfalls ihr Sohn. Isabell hat Rosi von zu Hause abgeholt. Sie steht neben der Mama, grinst, und ist sichtlich stolz auf ihre Freundin.
    Angefangen hat alles damit, dass Rosi zwar nichts da ge gen hatte, von den Leuten gesehen zu werden, die auch da sind, aber auf keinen Fall in die Zeitung wollte. Man weiß ja nie, was es für dumme Zufälle gibt. Isa hat ihr vorgeschlagen — halb im Scherz — eine Sonnenbrille aufzusetzen. Und gesagt, dass es Henning sicher total freuen würde und wichtig für ihn wäre, wenn sie, seine Mutter, dabei wäre. Schließlich ist nicht jeder in Rom ein Römer, hat sie angefügt und sie, Isa, gehe auf jeden Fall hin. Dann war da Rosis Sonnenbrille aus den Siebzigern, und sie haben angefangen, was Passendes zur Brille raus
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