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Hell's Kitchen

Hell's Kitchen

Titel: Hell's Kitchen
Autoren: Thomas Adcock
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Tide. Seit den fünfziger Jahren ist er in seinem gestärkten weißen Hemd, der schwarzen Fliege, schwarzer Weste und roter Schürze treu im Dienst. Und seit damals legt er für seine Gäste Jazzaufnahmen auf und gibt seine stets erstaunte Sicht einer Welt zum besten, die im allgemeinen von den dunkleren Engeln der Menschen beherrscht wird. Angelo hat heute eine Schwäche für den vorderen Teil der Theke, wo ich mit den anderen alten Getreuen sitz e., Johnnie Walker Red Label und ein Molson zum Nachspülen trinke und vielleicht ein gekochtes Ei esse.
    Als ich an diesem Freitag Anfang November nach dem Dienst vorbeischaute, spielte Angelo Aufnahmen von Lester Young, Mabel Mercer, Jack Teagarden, George Shearing und John Coltrane, alle zusammengeschnitten auf einem einzigen herrlichen Band. Er brachte mir einen Red und ein Molson, ohne daß ich auch nur ein Wort sagen mußte. Dazu legte er außerdem die letzte Ausgabe der >New York Post<.
    »Durch die Zeitung weiß ich, daß wir wieder einen richtig schönen Tag in den U. S. of A. hatten«, sagte er. »Tolles Jahr für Nachrichten, häh?«
    »Das beste«, stimmte ich zu. »Mencken hätt’s geliebt.«
    »Kann man wohl sagen. Jeden zweiten Tag sind Wall-Street-Typen im Gänsemarsch und aneinandergekettet in den Bundesknast gekarrt worden, weil sie Koks benutzt haben wie wir anderen Bares. Eine Ex-Miss-America hat sich durch Skandalgeschichten um ihren Job bei der Stadt gebracht. Ich glaube, in der Bronx steht inzwischen jeder mit dem Namen Stanley unter Anklage. Und obendrein müssen wir erfahren, daß einer dieser Fernsehevangelisten am Ende ein Mäuschen in seiner Herde gefunden hat, das einen Griff in die Hose wert ist, und daß er nun zu Gott betet, er solle ihm helfen, in Zukunft seinen Hosenstall geschlossen zu halten, da das Schweigegeld, das er der Kleinen gegeben hat, damit sie den Mund hält, anscheinend doch nicht so gut wirkt.«
    »Ja, wir leben in einer wirklich wunderbaren Zeit«, sagte ich.
    Angelo schenkte sich einen Red ein und leerte die Hälfte auf einen Zug. Er sagte: »Also, ich frage dich... wie kommt’s, daß überhaupt noch einer wählen geht?«
    »Ich wähle nie«, sagte ich. »Ich sehe keinen Grund, mir die Mühe zu machen, Überflüssigkeiten auch noch zu unterstützen.«
    Weil ich Angelo zum Lachen brachte, bekam ich einen weiteren Red und ein Molson auf Kosten des Hauses.
    Am anderen Ende der Theke begann jemand in Zopfmusterpullover und Kaschmirjacke mit den Fingern zu schnippen. Angelo drehte sich zu dem Geräusch um, sah mich dann wieder an und verdrehte die Augen.
    »Ich muß jetzt los. Der Typ da unten? Acht zu eins, daß er für sich und seine Freunde einen Pitcher Margaritas bestellen will... und wir haben November! Was soll ich dazu sagen? Die haben alle die Konservativen gewählt, und das gleich zweimal - und sie sind so blöd, daß es ihnen nicht mal peinlich ist. Aber was noch schlimmer ist: die haben auch nicht den leisesten Schimmer, wie man richtig trinkt. Ich sage dir, wir sind verloren.«
    Angelo ging, und ich saß da und hörte dem Jazz zu, trank meinen zweiten Scotch, nippte an dem Molson und blätterte in der Zeitung. Allerdings las ich nicht wirklich. Ich ließ einfach nur die fetten Schlagzeilen, die Mädchenfotos und die Werbebotschaften in mein Blickfeld driften...
    Freitag ?
    Wenn man wie ich allein lebt, sind die Tage lang und leer genug, daß die Wochenenden nicht zu hochfliegenden Erwartungen ermutigen. Aber an diesem speziellen Freitag hatte Inspector Neglio angerufen, um mich direkt als erstes am nächsten Morgen zu einer Besprechung zu bestellen -was natürlich Samstag sein würde. Was nach meinem Dienstplan ganz klar ein freier Tag war; Samstag genau wie Sonntag. Anscheinend hatte Neglio tatsächlich einen heiklen Fall, wenn er mich an einem Tag kommen ließ, der die Stadt das Doppelte an Uberstundengehalt kosten würde.
    Ich konnte das zusätzliche Geld gebrauchen. Judy, meine Ex, hatte ihrem Pflam noch nicht »Ich will« gesagt, daher war mein Bankkonto immer noch fest im Würgegriff des Gerichtes.
    Ich ging den Rest der Zeitung durch, trank mein Bier aus und fühlte mich ruhig und ausgeglichen. Ich wollte nach Hause und ein Nickerchen machen, bevor ich mich wie üblich mit einem chinesischen Imbiß vor meinen Philco, einen alten Schwarzweißfernseher, setzte, um mir Dan Rather und einen seiner unsäglichen Pullover reinzuziehen. Und dann hatte ich so etwas wie eine Vorahnung und dachte angestrengt über
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