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Hello Kitty muss sterben

Hello Kitty muss sterben

Titel: Hello Kitty muss sterben
Autoren: A Choi
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leeren Kondomverpackung.
    Und hier war ich in Dr. Sean Killroys Wartezimmer und ärgerte seinen Braunflecken-Igelfisch von der trockenen Seite des Aquariums aus.

KAPITEL 3
    Dr. Sean Killroys Geschäft mit der Wiederherstellung von Jungfernhäutchen war sehr lukrativ.
    Das verriet mir sein Braunflecken-Igelfisch mit den funkelnden blaugrünen Knopfaugen, dem stacheligen Körper, Schneidezähnen ähnlich wie beim Menschen und dem gespenstischen Lächeln, der eifrig auf meinen klopfenden Finger zuschwamm. Ebenso seine gesprenkelte Muräne, die zur Hälfte in eine Plastikröhre am Grund des Aquariums geschlüpft war. Und sein gewaltiger gelber Seetang.
    Jeglicher Fisch, der aussieht, als lächle er einen an, kostet viel, was Ankauf und Haltung betrifft. Diese kleinen Zähne zerkauen keine Flocken oder Körner. Sie knabbern an Austern, Muscheln, Garnelen und Seeigeln. Seeigeln. Man muss ihm jeden Tag etwas anderes zu fressen anbieten, sonst fängt der Igelfisch einfach einen Hungerstreik an. Er ist sehr heikel. Er braucht seinen eigenen Sushimeister.
    Und er hat einen ungeheuren Appetit.
    So ungeheuer, dass man ihn nur zusammen mit anderen großen, bunten, teuren Warmwasserfischen halten kann, um sicherzustellen, dass seine Mitbewohner nicht als sein Mittagessen enden.
    Dr. Killroy musste viele Jungfernhäutchen reparieren, um seinen Igelfisch bei Laune zu halten.
    Chinatown-Ärzte besitzen Siebzig-Liter-Aquarien mit zehn Fünf-für-einen-Dollar-Goldfischen, die vor einer Pappkulisse hin und her schwimmen. Diese Fische können von Glück sagen, wenn sie einen Filter bekommen. Andernfalls schwimmen sie einfach in ihrem eigenen Schmutz.
    Chinatown-Ärzte reparieren keine Jungfernhäutchen oder erschaffen sie neu.
    »Fiona Yu? Der Herr Doktor hat jetzt Zeit für Sie.«
    Die Schwester musterte mich von Kopf bis Fuß, wobei ihr Blick kaum merklich an meinem Schritt verweilte. Ich konnte die Registrierkasse in ihren Gedanken klingeln hören. Wieder einmal zweitausendfünfhundert Dollar für den Herrn Doktor. Der kleine Igelfisch würde auch fortan in den Genuss seines täglichen Buffets aus Meeresfrüchten kommen.
    »Entledigen Sie sich Ihrer Kleidung und ziehen Sie das hier an. Den Schlüpfer auch. Der Herr Doktor wird gleich bei Ihnen sein«, sagte sie und reichte mir einen blauen Morgenmantel. »Der geht hinten auf.«
    Ach was.
    Ich war wegen eines neuen Jungfernhäutchens hier. Natürlich würde ich mir die Unterwäsche ausziehen müssen.
    Schlüpfer. Ich hasse das Wort. Es klingt schmutzig. Es lässt mich an Perverse, Sittenstrolche, Vergewaltiger, spitze Collegejungs denken.
    »Also, Ms Yu, was kann ich für Sie tun? Ich bin Dr. Sean …«
    Dr. Killroy hatte beim Eintreten in die aufgeschlagene Akte geblickt. Doch dann sah er auf und hielt inne.
    Man kann seinen Namen ändern. Man kann sich die Haare färben. Man kann sich neu einkleiden. Aber die meisten Leute bekommen kein anderes Gesicht. Und abgesehen von aufwendiger Schönheitschirurgie gibt es auch keine Möglichkeit, an ein neues Gesicht zu gelangen. Das Skalpell, selbst in den Händen des begnadetsten Chirurgen, kennt seine Grenzen.
    Sean Killroy. Sean Smith. Sean Jones. Sean Anderson. Sean Baxter. Sean Randall. Sean Dixon.
    Es war gleichgültig, wie Sean sich inzwischen nennen wollte. Ich erkannte seine dunklen welligen Haare, seine durchdringenden, nadelhaften Augen und das scharf geschnittene Elfengesicht wieder. Man vergisst nie das Gesicht seines ersten besten Freundes, das Gesicht eines Menschen, den man halb geliebt hat, selbst wenn seitdem sechzehn Jahre vergangen sind.
    »Von wegen Killroy. Du heißt Sean Deacon.«
    »Heilige Scheiße. Fi?«
    »Ja, klar.«
    Wir starrten einander eine Minute lang an. Wären wir Figuren aus den Peanuts, hätten wir beide riesige schwarze Löcher als Mund gehabt.
    Ich lernte Sean in der sechsten Klasse am St. Sebastian kennen, durch Jeremy, den größten und gemeinsten Schulhoftyrannen.
    Jeremy.
    Mit seinen elf Jahren war Jeremy bereits einen Meter zweiundsiebzig groß. Die Schulschwester meinte, er habe seinen Wachstumsschub noch vor sich. Er hatte dunkelblonde Haare, die mit Gel nach hinten geklatscht waren. Große, kornblumenblaue Augen. Sein dicker Körper bestand aus einer ungleichmäßigen Mischung aus Fett und Muskeln. Mehr Fett als Muskeln. Und Wurstfinger und dreckige Nägel, die obendrein noch bis zum Fleisch abgekaut waren. Er hätte von oben bis unten mit Arrid XX Deo eingesprüht gehört.
    Jeremy liebte es,
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