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Hello Kitty muss sterben

Hello Kitty muss sterben

Titel: Hello Kitty muss sterben
Autoren: A Choi
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einmal ist es das Einzige, was sie wollen. Ein weinendes, schreiendes Baby. Bloß weil sie keines haben können. Wir wollen, was wir nicht haben, nicht haben können. Wir beschließen, dass wir es haben müssen. Dass wir ohne nicht leben können.
    Ich auch.
    »Zwei Wochen?«, rief ich ins Telefon.
    »Das ist der früheste Termin, der bei Dr. Killroy frei ist«, erwiderte die kehlige Stimme.
    In San Francisco musste eine Epidemie ausgebrochen sein, die Jungfernhäutchen zerstörte. Eine Woge im Nachhinein bereuten vorehelichen Geschlechtsverkehrs. Entweder das, oder es ging wieder einmal ein Serienvergewaltiger um. Dergleichen wüsste ich nicht. Ich sah mir nie die Nachrichten an, sie deprimierten mich nur. Es gab immer einen Vergewaltiger, Pädophilen oder Psychokiller, der Gottes Werk verrichtete.
    »Okay, ich nehme ihn.«
    »Wunderbar, ich notiere Sie für den letzten Termin des Tages. Halb fünf.«
    »Großartig. Dann brauche ich mir nicht den ganzen Tag freizunehmen. Oh, wie viel wird die Sache eigentlich kosten?«
    »Hängt davon ab, was Sie gemacht bekommen wollen.«
    »Mein Jungfernhäutchen fehlt. Ich will eines eingesetzt bekommen.«
    »Oh, Sie sind ohne geboren worden?«, fragte sie, die Stimme voller Mitgefühl, als hätte ich ihr eben eröffnet, ich sei schrecklich entstellt zur Welt gekommen.
    »Anscheinend.«
    »Tja, meine Liebe, das ist keine Hymenwiederherstellung. Es gibt nichts wiederherzustellen. Sie brauchen eine Hymenneuschaffung. Das ist teurer.«
    »Wie viel kostet es also?«
    »Das macht etwa zweieinhalbtausend Dollar, mehr bei komplizierten Fällen.«
    Ich hatte keine Ahnung, ob ich ein komplizierter Fall war, doch ich ließ mir den Termin geben. Zweieinhalbtausend Dollar kostet es, sich in San Francisco ein funkelnagelneues Jungfernhäutchen zu besorgen. Zweieinhalbtausend Dollar, und man ist so rein wie ein neugeborenes Kind. Zweieinhalbtausend Dollar für die Familienehre. Zum gleichen Preis könnte man sich die neueste Handtasche von Chanel zulegen. Es hängt wohl ganz von den eigenen Prioritäten ab.
    Ich wollte lieber ein Jungfernhäutchen als eine Handtasche von Chanel, auch wenn sie gut zu all meinen Nadelstreifenanzügen passen würde.
    Ich bin Firmenanwältin.
    Ich habe die juristische Fakultät besucht, weil ich nicht Kinderärztin oder Gynäkologin werden wollte wie all die anderen chinesischen Mädchen aus meiner Klasse. Ich wollte nicht die weibliche Unterwelt erforschen oder Säuglinge auffangen, wenn sie aus dem Geburtskanal geschossen kommen. Ich wollte keinen Rotz von laufenden Nasen wischen oder mich mit schreienden Babys herumplagen.
    Stattdessen beschloss ich, mich mit schreienden Seniorpartnern herumzuplagen.
    Ich beschloss, mir einen Vorrat an Mundwasser anzulegen für die ganze Speichelleckerei, zu der ich gezwungen war, wenn ich gerade keine Stunden abrechnete. Abertausende abrechenbare Stunden. Das Verderben des Juristenstandes. Das Joch aller Anwälte im privaten Sektor.
    Am ersten Tag meines Jurastudiums hieß uns der Dekan mit einer motivierenden Begrüßungsrede willkommen. »Wenn Sie uns mit Ihrem Abschluss in der Tasche verlassen, werden Sie über ungeheuer viel Macht und Privilegien verfügen.«
    Der Dekan musste eine andere Definition von Macht im Sinn gehabt haben als mein Seniorpartner Jack.
    Jack von Toller & Benning LLP , Land der Loser und Parasiten. Der dicke, glatzköpfige, unflätige Jack. Ein Meter fünfundachtzig. Achtundfünfzig Jahre jung. Mit erdbeerfarbener Säufernase. Dem Gesicht einer Bulldogge. Der Staranwalt und Darling des Konzerns.
    Als Junganwältin in der Abteilung für Firmenrecht und Wertpapiere innerhalb einer Kanzlei mit über fünfhundert Anwälten genoss ich das zweifelhafte Privileg, Jack stets zu Diensten zu sein. So wie wir alle. Wir besaßen die Macht, seine Jasager zu sein, seine Kriecher, seine Lakaien. Im Gegenzug erwies er uns die Ehre, dass wir all seine Handlangerdienste zum beeindruckenden Stundensatz von $ 275 erledigen durften, sowie das Vergnügen, über achtzig Stunden die Woche in teuren Anzügen und dicken Nylonstrümpfen zu arbeiten.
    Dekan Perry, ich will mein Geld zurück.
    »Macht ist, wenn der andere mit einem dämlichen Grinsen dahocken muss, während man ihm mitten ins Gesicht ejakuliert«, sagte Jack und zog an seinen Hosenträgern.
    Netter Kerl, dieser Jack.
    Macht ist, wenn man sich einfach ein Jungfernhäutchen für $ 2500 kaufen kann, ohne sich Gedanken machen zu müssen, ob man sich trotzdem leisten
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