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Hello Kitty muss sterben

Hello Kitty muss sterben

Titel: Hello Kitty muss sterben
Autoren: A Choi
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Gegenstände und andere Schüler zu treten, die kleiner waren als er. Insbesondere Mädchen.
    »Ich habe starke Beine, Schwester. Und ihnen ist langweilig.«
    Und so trainierte er seine Beine an seinen Mitschülern. Außerdem trat er uns alle unzählige Male mit den Absätzen, schlug uns in die Magengegend, furzte uns ins Gesicht und wonach auch immer ihm sonst noch der Sinn stand. Seine Stärke lag allerdings im Mittagessen-Zertrampeln. Dazu nahm er einem die Brotdose weg, warf das Sandwich, die Pizzareste, den Muffin, die Banane, das Schinkenbrötchen, die einem die Mutter ach-so-sorgfältig eingewickelt hatte, auf den Boden und trampelte darauf herum.
    Jeremy nannte es Essen-Verdreschen.
    Eines Nachmittags beschloss Jeremy, dass mein Mortadellasandwich kräftig verdroschen gehörte. Er riss mir meine blaue Schlumpf-Brotdose aus der Hand, öffnete sie und schüttete meine Thermoskanne, meinen Apfel und das Sandwich auf den geteerten Boden, bevor er die Dose beiseiteschleuderte. Er musste sich besonders munter gefühlt haben, denn er traktierte mein Sandwich mit beiden Füßen, indem er auf den zwei Scheiben Wonder Bread mit Oscar-Mayer-Mortadella auf und nieder hüpfte.
    Ich schnappte mir meine Brotdose und jagte meiner Thermoskanne hinterher, die den abfallenden Gehweg hinab in die Büsche um das Pfarrhaus rollte, und überließ es Jeremy, meinem Sandwich den Garaus zu machen.
    Ich weinte nicht. Weinen spornte Jeremy nur an. Das wusste jeder. Egal, wie viel Angst wir hatten, wir weinten nie. Dann würde Jeremy nur umso heftiger zuschlagen.
    »Verdrisch ihn mit dem Ding, Schlumpfine.«
    Ich drehte mich um. Ein Junge in meinem Alter spähte um die Ecke, wo er gerade eine Zigarette rauchte, außer Sicht der stets wachsamen Schwester Maria. Er nickte in Richtung der Brotdose in meiner Hand.
    »Das Ding hier? Jeremy hat einen robusten Holzkopf. An seinem Schädel wird das Ding hier entzweibrechen. Und ich heiße Fiona, nicht Schlumpfine.«
    »Deshalb musst du es zuerst mit Steinen füllen, Fi- ona «, sagte er und machte eine ruckartige Kopfbewegung in Richtung der glatten runden Steine, die das Blumenbeet säumten. »Und keine Sorge, ich gebe dir Rückendeckung.«
    Der Junge zwinkerte mir zu.
    »Du bist genauso groß wie ich.«
    »Zwei gegen einen. Die Gewinnchancen gefallen mir, dir nicht? Oder ziehst du verdroschene Sandwiches vor?«
    Ich starrte ihn an. Ich blickte zu Jeremy zurück, der voller Begeisterung meinen Apfel gegen die Klostermauer warf.
    »Ja, klar doch. Ich will nicht sterben.«
    »Jeder muss mal sterben. Du hast bloß Angst.«
    »Na und? Du etwa nicht?«
    »Angst gibt es nicht. Komm schon. Ich bin gleich hinter dir. Eins noch, lächle ihn zuerst an. Und sag keinen Ton. Kleb ihm einfach eine.«
    Seine durchdringenden blauen Augen durchbohrten mich. Ihre Wildheit entzog mir die Angst wie Gift aus einer Wunde.
    Ich fühlte mich leicht. Gelassen. Als wären jegliche Geräusche aus der Welt um mich her gesogen worden. Als befände ich mich auf einmal in einem Vakuum.
    Furchtlos.
    Ich füllte meine Brotdose mit Steinen und ließ den Verschluss fest zuschnappen. Ich ging auf Jeremy zu, der die Lust an meinem Sandwich verloren und sich jemandes Pizza zugewandt hatte.
    »Was guckst du so?«, knurrte er.
    Ich lächelte strahlend und schlug Jeremy mit meiner Brotdose ins Gesicht. Fest. Und ich schlug immer weiter. Und weiter. Sogar noch, nachdem er zu Boden gestürzt war.
    Ich nannte es Dummkopf-Verdreschen.
    Dann sah ich mich nach meiner Rückendeckung um.
    Doch er war nirgends zu sehen.
    Ich brach Jeremys Kiefer an drei Stellen und landete auf der Bank vor Schwester Carmens Zimmer. Dem Direktorat. Der letzten Station aller Unruhestifter, bevor sie von der Schule flogen.
    Eine vertraute Gestalt kam um die Ecke gebogen und setzte sich neben mich. Der Junge, der mich Schlumpfine genannt hatte. Er hatte sich aus dem Unterricht geschlichen.
    »Vielen Dank auch, Charles Manson. Schau, wo du mich hingebracht hast.«
    »Du hast ihn ganz schön vermöbelt.« Er sah ehrlich beeindruckt aus.
    »Halt den Mund. Und wo bist du gewesen?«
    »Du hast mich nicht gebraucht. Du hast dir selbst Deckung gegeben.«
    »Ja, und jetzt fliege ich von der Schule. Wer zum Teufel bist du überhaupt?«
    »Ich heiße Sean. Und nein, fliegst du nicht. Erzähl ihr einfach, wie sehr du Jesus liebst.«
    Jesus. Ich liebe Jesus.
    Jesus bescherte mir einen Rabatt auf meine dreizehnjährige katholische Schulausbildung. Außerdem rettete mir Jesus
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