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Djihad Paradise: Roman (German Edition)

Djihad Paradise: Roman (German Edition)

Titel: Djihad Paradise: Roman (German Edition)
Autoren: Anna Kuschnarowa
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Berlin Alexanderplatz. Kurz: Alex. Das ist Mitte. Das ist so was von Mitte, wie es gar nicht mehr Mitte geht. Ist Fernsehturm und Weltzeituhr, ist Völkerfreundschaftsbrunnen und all der andere Rotz. Und nein, ich bin keiner von diesen bescheuerten Touristenschleppern. Ich hasse Touristen. Jeder Berliner hasst sie. Aber das ist nun auch egal. Eigentlich ist jetzt alles egal.
    Fast. Fast ist alles egal. Eine Sache noch, eine einzige. Und dann. Exitus. Verdammt, ich bin hier, weil – hätte diese Bitch von Stadt ein Herz, hier würde es schlagen. Und wenn sie ein Herz hätte, dann könnte ich es ihr jetzt herausreißen. Aber hier schlägt nichts. Gar nichts. Alles bewegt sich, aber alles ist tot. Zombiecity. Und City of Zombies. Alle rennen irgendetwas hinterher, aber alles, was sie erreichen werden, ist ihr Grab. Sie erreichen ihr Grab und dann wartet nur noch eines auf sie – und das ist die Hölle. Und ich, ich bin nur hier, weil hier so viel Verkehr durch Berlins tote Adern rauscht, dass sie sich manchmal selbst fast lahmlegen. Bin hier, weil hier alles ist, was ich hasse. Vor allem diese fette, Albtraum gewordene Shoppingmall, dieser apricotfarbene Termitenhaufen, in dem all die Kuffar, die Ungläubigen, so geschäftig herumkrabbeln, als gäbe es kein Morgen mehr. Dabei ahnen sie es noch nicht mal. Ein Morgen wird es für sie nicht mehr geben.
    Mir ist übel. Von der Arroganz des Westens ist mir übel. Sie haben uns den Krieg erklärt. Entweder Berlin oder Abdel Jabbar Shahid.
    Ich muss stehen bleiben. Mitten auf dem Alex bleibe ich stehen, mein Oberkörper fällt nach vorne. Ich stütze meine Hände auf den Knien ab und ringe nach Luft. Wie ein Greis ringe ich nach Luft, als würde ein unendliches Gewicht auf mir lasten.
    In meiner gebückten Haltung sehe ich nur die Mantelsäume und die hektisch ausschreitenden Unterschenkel in Hosen, in Röcken, in Strumpfhosen, in Boots und High-Heels und Stiefeletten und Turnschuhen und Outdoortretern von Leuten, die doch das, was sie Zivilisation nennen, niemals verlassen und ihre Hintern kaum noch aus ihren SUVs bekommen. Und dann sehe ich noch den Boden des Platzes. Am frühen Morgen hat es geschneit und das hat der Welt etwas so Unschuldiges, Reines verliehen. Aber jetzt ist nichts mehr übrig von der Unschuld frischen Schnees. Nur ein graubrauner Siff, in dem verstümmelte Kippenreste untergehen und die leblosen Plastikhüllen versinken, aus denen die Kuffar ihre Industrienahrung geschält haben. So wie mit dem Schnee machen sie es mit allem. Alles, was jemals weiß und rein gewesen ist, das treten sie mit Füßen, treten es in den Dreck. So sind sie eben, die Kuffar, und deshalb ist es besser, sie sterben.
    Meine Lunge rasselt. Alles dreht sich. Von hinten legt mir jemand eine Hand auf die Schulter.
    Shit! Die Bullen!, denke ich, richte mich erschrocken auf und drehe mich hastig um.
    »Geht es Ihnen nicht gut?«, fragt eine schöne Frau, die vom Alter her meine Mutter sein könnte und die, nachdem sie das Entsetzen in meinen Augen gesehen hat, ihre Hand unsicher zurückzieht. Wir starren uns an.
    Die Berührung und ihr Blick sind mir wie ein Stromschlag durch alle Glieder gefahren, alle Härchen meines Körpers haben sich aufgerichtet, und nicht nur die Härchen. Ich reiße mich zusammen und sage: »Es geht schon wieder. Danke.« Ich zwinge mich zu einem Lächeln und dazu, weiterzugehen. Ich weiß, dass sie mir noch einen Augenblick besorgt hinterhersehen wird, und ich wünschte, es wäre meine Mutter, die mir da so nachschaut. Und ich wünschte, ich hätte keine Erektion.
    Da war er wieder, der verfluchte Julian Engelmann. Ein echter Shahid hätte sich im Leben nicht von einer Wildfremden anfassen lassen und es auch noch schön gefunden, selbst wenn er wie ich seit mehr als einem Jahr keine Frau mehr berührt hatte. Und er hätte sie auch nicht so angestarrt. Abdel Jabbar Shahid. Ich bin echt nicht würdig, diesen Namen zu tragen.
    Seltsamerweise hat sich mein Magen schnell wieder beruhigt und ich gehe nun mit entschlossenen Schritten über die Grunerstraße auf das Alexa zu.
    Fettes rosa Schwein, denke ich beim Anblick des Gebäudes und wahrscheinlich huscht gerade ein Grinsen über mein Gesicht. Deine Gedärme werden sich bald um die Spitze des Fernsehturms winden und dieser ganze nutzlose Ramsch, den ihr auf dem Rücken der Welt produziert und hier verhökert, wird bis zur Museumsinsel geschleudert werden, auf euch niederprasseln und euch die Schädel spalten als
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