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Helle Barden

Helle Barden

Titel: Helle Barden
Autoren: Terry Pratchett
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diesem kleinen Zimmer saßen sie vor allem deshalb, weil sie Edwards Vater gekannt hatten. Und weil die d’Eaths eine alte, ehrwürdige Familie waren – die inzwischen allerdings sehr geschrumpft war.
    »Aus all diesen Dingen läßt sich nur ein Schluß ziehen«, verkündete Edward stolz. »Wir haben einen König!«
    Die übrigen Anwesenden vermieden es, sich anzusehen.
    »Ich habe damit gerechnet, daß ihr euch f-reut.«
    Einige stille Sekunden verstrichen quälend langsam, bevor Lord Rust beschloß, für das Publikum zu sprechen. In seinen blauen Augen schimmerte kein Mitleid – Anteilnahme gehörte nicht zu den erforderlichen Eigenschaften, um zu überleben. Doch manchmal konnte man ein wenig Höflichkeit riskieren.
    »Edward…«, sagte Lord Rust. »Der letzte König starb vor Jahrhunderten.«
    »Er wurde von V-errätern hingerichtet!«
    »Selbst wenn man heute noch einen Nachkommen finden könnte… Das königliche Blut dürfte inzwischen ziemlich verwässert sein, nicht wahr?«
    »Königliches B-lut
kann
überhaupt nicht v-erwässern!«
    Oh, dachte Lord Rust. Er ist einer von
der
Sorte. Der junge Edward glaubt, ein König brauche nur die Hand aufzulegen, um Skrofeln zu heilen – als käme das Königliche einer Schwefelsalbe gleich. Der junge Edward glaubt, kein See aus Blut sei groß und tief genug, um mit der Absicht hindurchzuwaten, einen rechtmäßigen König auf den Thron zu setzen. Er hält
jede
Tat für gerechtfertigt, um eine Krone zu verteidigen. Mit anderen Worten: Er ist ein Romantiker.
    Lord Rust war kein Romantiker. Die Rusts hatten sich den postmonarchischen Jahrhunderten in Ankh-Morpork angepaßt, indem sie kauften, verkauften, vermieteten, verpachteten, Kontakte knüpften und sich so verhielten, wie sich Aristokraten immer verhalten haben: Sie stellten die Segel richtig und überlebten.
    »Nun, vielleicht«, räumte er ein im sanften Tonfall eines Mannes, der jemanden zu überzeugen versucht, daß ein Sprung in die Tiefe keinen Sinn hat. »Allerdings müssen wir uns fragen:
Braucht
Ankh-Morpork überhaupt noch einen König?«
    Edward sah ihn an, als hätte er gerade den Verstand verloren.
    »Ob Ankh-Morpork einen König
braucht?
Unsere Stadt ächzt unter dem Joch des T-yrannen!«
    »Oh. Du meinst Vetinari.«
    »Siehst du denn nicht, was er mit dieser Stadt anstellt?«
    »Nun, er
ist
ein kleiner, unsympathischer Emporkömmling«, sagte Lady Selachii. »Aber von einer
Schreckensherrschaft
kann keine Rede sein. Zumindest nicht in dem Sinne.«
    »Eins muß man ihm lassen«, fügte Viscount Skater hinzu. »Die Stadt funktioniert. – Mehr oder weniger.«
    »Die Straßen sind sicherer als zur Regierungszeit des Verrückten Lord Schnappüber«, sagte Lady Selachii.
    »Si-cherer?!« ereiferte sich Edward. »Vetinari hat die Diebesgilde zugelassen!«
    »Ja, ja, natürlich, sehr verwerflich, völlig klar. Andererseits braucht man nur eine kleine jährliche Gebühr zu bezahlen und muß keinen Diebstahl mehr befürchten…«
    Lord Rust nickte. »Vetinari steht auf dem Standpunkt: Wenn man schon Kriminalität nicht vermeiden kann, sollte man sie wenigstens organisieren.«
    »Die Jungs von den Gilden akzeptieren ihn, weil sie mit jedem anderen schlimmer dran wären«, spekulierte Viscount Skater. »Wir hatten einige ziemlich üble Burschen. Ich denke da nur an den Mörderischen Lord Winder.«
    »Der Wahnsinnige Lord Harmoni«, sagte Lord Mohnflatter.
    »Oder der Lachende Lord Skapula«, meinte Lady Selachii. »Hatte einen sehr eigentümlichen Sinn für Humor.«
    »Nun, was Vetinari betrifft…«, begann Lord Rust. »Irgend etwas an ihm…«
    »Ja«, ließ sich Viscount Skater vernehmen. »Er scheint zu wissen, was man denkt,
bevor
man es denkt. Das gefällt mir nicht.«
    »Es ist allgemein bekannt, daß die Assassinen das Honorar für
ihn
auf eine Million Dollar festgesetzt haben«, sagte Lady Selachii. »Soviel würde sein Tod kosten.«
    »Wahrscheinlich wäre es weitaus teurer, dafür zu sorgen, daß er auch tot bleibt«, murmelte Lord Rust.
    »Meine Güte! Was ist mit Stolz und Ehre passiert?« Die Besucher zuckten zusammen, als der letzte Lord d’Eath aufsprang.
    »Was ist nur in euch gefahren? Wer von euch mußte nicht erleben, daß der Familienname seit den Königen an Bedeutung verlor? Wißt ihr denn nicht mehr, wer eure Ahnen gewesen sind?« Edward marschierte um den Tisch herum, und die Sitzenden mußten den Kopf von einer Seite zur anderen drehen, um ihn nicht aus den Augen zu verlieren. Er hob
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