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Hellas Channel

Hellas Channel

Titel: Hellas Channel
Autoren: Petros Markaris
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Ordnung, so eilig hab ich’s auch wieder nicht.«
    Er erhebt sich und geht in den Flur. Er könnte die Tür öffnen und weglaufen, doch wenn er so etwas vorhätte, würde er nicht die Pistole ziehen? Das Risiko besteht so oder so.
    Ich schlage Karajorgis Aktenordner auf. Darin befinden sich eine weitere Filmrolle, ein Stapel Papiere – ein Computerausdruck – und vier Fotografien. Die Abzüge stammen anscheinend von einem Film, der erst vor kurzem aufgenommen wurde. Das, was wir vorgefunden hatten, war älteres Material gewesen. Die eine Aufnahme zeigt die Dourou. Die anderen drei sind nachts in der Koumanoudi-Straße aufgenommen worden. Jede zeigt eine andere Person, die gerade ein kleines Kind aus dem Lastwagen hebt. Ich erkenne Shehi wieder. Die anderen beiden müssen das albanische Ehepaar sein, doch sie sind in der Dunkelheit nicht eindeutig auszumachen. Wie auch immer, die Dourou kann ihren Kopf nun nicht mehr aus der Schlinge ziehen.
    Ich schaue die Fotos an, und in einer Aufwallung möchte ich sie in der Luft zerreißen. Wenn wir dieses Beweismaterial von Anfang an gehabt hätten, wäre der Fall innerhalb von zwei Tagen abgeschlossen gewesen. Und sowohl die Karajorgi als auch die Kostarakou wären noch am Leben. Ich weiß, es ist barer Unsinn, doch es ist absolut kein angenehmer Gedanke, daß dein eigenes Verhalten, wenn auch ungewollt, den Tod zweier Menschen verursacht hat.
    Der Schuß ertönt aus dem anderen Zimmer und zerreißt die Stille. Ich stürze in den Flur, während die Papiere auf den Boden flattern. Das Schlafzimmer befindet sich am Ende des Flurs. Durch die offene Tür erkenne ich Thanassis’ Beine auf dem Bett. Als ich eintrete, sehe ich seinen Kopf auf dem Polster liegen. Seine linke Hand hängt hinunter und pendelt in der Luft. Seine rechte, die die Dienstwaffe umklammert hält, ruht an seiner Seite auf der Matratze. Das Bett ist zerwühlt, und das Blut breitet sich langsam aus und verfärbt das Polster rot.

46
    D is der Gerichtsmediziner und die Spurensicherung ihre Arbeit beendet haben, geht es auf drei Uhr zu. Ich lasse Thanassis in den Krankenwagen laden und schicke ihn in Richtung Seziersaal auf die Reise und fahre nach Hause. Ich möchte nicht in die Dienststelle gehen, da sich die Journalisten sicherlich vor meiner Tür drängeln, und ich weiß nicht, wie ich ihnen gegenübertreten soll.
    Sobald ich nach Hause komme, rufe ich Gikas an. Er ist über die Feiertage in das Haus seiner Frau nach Karavomylos gefahren. Ich lasse es ungefähr zehnmal läuten, dann höre ich eine erschrockene Frauenstimme sagen: »Hallo, wer ist denn da?«
    »Kommissar Charitos. Den Herrn Kriminaldirektor hätte ich gerne gesprochen. Und zwar dringend.«
    Ich muß nochmals fünf Minuten warten, bis ich Gikas’ sorgenvolle Stimme höre: »Warum rufen Sie mich um diese Uhrzeit an? Was ist los?«
    Bis ich ihm die ganze Geschichte zu Ende erzählt habe, ist er so hellwach, als hätte er drei Tassen Kaffee hinuntergestürzt.
    »Und was machen wir jetzt?« fragt er. »Was sagen wir bloß nach außen hin?«
    Ich habe die Lösung, doch ich weiß nicht, ob sie ihm gefallen wird. »Ein Verbrechen aus Leidenschaft. Kriminalhauptwachtmeister Kouris hatte mit der Karajorgi eine Liebesbeziehung. Die uns zur Verfügung stehenden Hinweise deuten darauf hin, daß die Karajorgi sich mit ihm einließ, um an interne Informationen zu kommen. Irgendwann entschloß sie sich, die Sache zu beenden. Kouris nahm es sich sehr zu Herzen. Am Abend, als der Mord geschah, gingen sie zusammen essen. Er bat sie, die Beziehung wieder aufzunehmen, doch sie lehnte ab. Er folgte ihr zum Sender. Er schlich sich hinein und drang weiter mit Bitten auf sie ein. Als er sah, daß die Karajorgi unnachgiebig war, tötete er sie im Affekt. Da alle wissen, wie die Karajorgi Petratos abserviert hat, wird man diese Version schlucken.«
    »Und die Kostarakou?«
    »Die tötete er, weil sie von der Beziehung wußte, und er befürchtete, daß sie reden würde. Als er merkte, daß wir ihm auf der Spur waren, zog er es vor, Selbstmord zu begehen. Und wir streichen besonders heraus, daß mit Karajorgis Beweismaterial, das sich in Kouris’ Händen befand, die Dourou für zehn Jahre hinter Gitter wandert.«
    »Hervorragend!« höre ich Gikas am anderen Ende sagen.
    »Nicht einmal das FBI hätte einen so perfekten Plan ausgearbeitet, um seinen Ruf zu schützen.«
    Das FBI ist mir völlig wurscht. Mich interessiert einzig und allein, daß der Fall ins reine kommt,
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