Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hellas Channel

Hellas Channel

Titel: Hellas Channel
Autoren: Petros Markaris
Vom Netzwerk:
und sie haben ihn kaltgemacht.«
    »Menschenskind, Thanassis. Ganz unter uns: Ist es denn die Möglichkeit, daß du all das nur deshalb getan hast, damit du deine Tochter sehen konntest?«
    »Du«, spricht er mich plötzlich vertraulich und mit Neid in der Stimme an, »du verhätschelst deine Tochter, schon seit sie auf der Welt ist. Und jeden zweiten Tag bist du niedergeschlagen, weil sie dir fehlt. Und wenn sie dich anruft, führst du dich auf wie ein kleiner Junge.«
    Halt die Klappe, Charitos. Du bist der allerletzte, der ihm etwas vorhalten könnte. Er wiegt seinen Kopf hin und her, um seine Verzweiflung zu unterstreichen. »Ich sage dir, sie hatte den Teufel im Leib. Und sie wußte, wie sie meinen Hoffnungen immer neue Nahrung geben konnte. Seitdem ich auf Dourous Spiel eingestiegen war, schlief sie wieder mit mir. Nicht regelmäßig, doch ab und zu. Ohne es mir ausdrücklich zu sagen, ließ sie mich doch in dem Glauben, daß das, was vor zwanzig Jahren nicht zustande kam, jetzt im Bereich des Möglichen lag. Daß wir alle zusammenleben könnten. Ich, sie und unsere Tochter.«
    »Wann bist du aus dem Traum aufgewacht?«
    »Nach dem Vorfall mit den Albanern, als sie dir den Floh wegen der Kinder ins Ohr setzte. Du hattest keine Ahnung, doch ich begriff, was sie im Schilde führte. Sie wollte euch dazu bringen, offiziell zu verlautbaren, daß ihr nach Kindern sucht. Und dann wäre sie auf der Bildfläche erschienen und hätte alles aufgedeckt, um der ganzen Welt zu beweisen, daß sie alles fix und fertig im Kasten hatte, während die Polizei gerade mal auf Trab kommt und wie ein blindes Huhn umhertappt. Sie wollte alle, Polizei und Journalisten, in den Staub treten und sich selbst zu einer Kultfigur machen. Um zu zeigen, daß Welten zwischen ihr und ihren männlichen Kollegen lagen. Das einzige, was ihr noch fehlte und was auch ich nicht nachweisen konnte, war Pylarinos’ Beteiligung an der ganzen Sache.«
    Weil sie keinen Sissis hatte. Denn den hatte ich.
    »Und wegen ihres falschen Spiels hast du sie getötet?«
    Die Frage wäre irgendwann einmal ohnehin gefallen, und er hat sie schon erwartet. Er blickt mich kurz an. Mir schießt durch den Kopf, daß er es abstreiten wird, doch dann sagt er langsam: »Zum Teil ist es deine Schuld, daß ich sie getötet habe.«
    »Meine Schuld?«
    »Du hast mich an jenem Abend mit ihr zusammen losgeschickt. Ich wollte nicht, doch du hast darauf bestanden. Als ich ihr sagte, daß ich ihr Spiel durchschaut hatte und sie an unsere Abmachung erinnerte, lachte sie nur. Sie meinte, sie würde sich an die Vereinbarung halten, doch mit einer kleinen Abweichung. Sie würde alle Hinweise weitergeben, doch nur, wenn die Polizei sie dazu aufforderte. Um aller Welt zu zeigen, daß wir ohne sie nichts zustande brächten. Ich drohte ihr, daß ich dir gegenüber alles aufdecken würde. Sie lachte wieder und sagte, das solle ich nicht wagen, denn ich stecke bis zum Hals in der Scheiße, und wenn ich ihr den Coup vermasselte, dann würde sie zur Entschädigung mich in die Schlagzeilen bringen. Vor dem Gehen meinte sie, sie müsse noch mal telefonieren. Ich brachte sie zu ihrem Wagen. In meinem Wahn hoffte ich immer noch, daß sie im letzten Augenblick ihre Meinung ändern würde. Doch sie kurbelte das Fenster hinunter und sagte, daß sie noch am gleichen Abend auf Sendung gehen würde, um die Neugier der Leute mit einem kleinen Vorgeschmack anzustacheln. Und am nächsten Tag würde sie den großen Knall inszenieren, in den Abendnachrichten um halb neun. Und sie trat sofort aufs Gas, damit ich nichts mehr erwidern konnte.«
    Dicke Schweißperlen glänzen auf seiner Stirn. Er zieht ein Taschentuch heraus und wischt sie ab. Mit einem Mal jedoch, wie es stets passiert, wenn jemand eine Last abwälzen möchte, geht er sprunghaft zu einem vollkommen anderen Thema über.
    »Entschuldige, ich habe dir gar nichts zu trinken angeboten. Möchtest du einen Kaffee?«
    »Nein, ich möchte gar nichts. Erzähl weiter.«
    Er begreift, daß er nicht entrinnen kann, und ergibt sich in sein Schicksal. »Ich bin nicht sofort losgefahren. Ich blieb noch ein Weilchen, um zu mir zu kommen und mit kühlem Kopf nachzudenken. Da erkannte ich, daß alles gelogen war. Weder hatte sie vor, mir jemals meine Tochter vorzustellen, noch, mich an ihrem Erfolg teilhaben zu lassen. Ich stieg in den Wagen und raste hinter ihr her. Ich sah, daß sie ihr Auto vor dem Sender geparkt hatte. Ich weiß nicht, ob ich mich bereits
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher