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Hellas Channel

Hellas Channel

Titel: Hellas Channel
Autoren: Petros Markaris
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Streitkräfte tätig war. Damals fing alles an.« Er hält inne und versucht sich zu konzentrieren. »Ist es zu glauben? Ich kann mich nicht an das Jahr erinnern. Ich hab’s schlicht und einfach vergessen.«
    »’73 war’s. Ich habe es durch die Aussage eines Technikers beim Zweiten Griechischen Fernsehen gegengeprüft.«
    »Sie haben recht. Es war ’73. Sie arbeitete an einer Sendung über die Polizei mit, und man hatte sie mit einer Reportage über die Polizeischule beauftragt. Sie unterbrach den Unterricht, um uns, die Polizeischüler, zu befragen. Als der Unterricht zu Ende war, wartete sie draußen auf mich. Sie sagte, sie wolle mir noch ein paar Fragen stellen. Ich hatte Angst, irgendwo reingezogen zu werden, und lehnte ab. Doch sie beruhigte mich. ›Keine Sorge, wenn irgend etwas Unerwünschtes darunter ist, werden sie das ohnedies rausschneiden‹, sagte sie lachend zu mir. So haben wir uns kennengelernt.« Ein Seufzer kommt über seine Lippen.
    »Und dann seid ihr eine Beziehung eingegangen.«
    »Wir sind ein paarmal ausgegangen. Dann hat sie mich ihren Freunden vorgestellt, doch sie sagte nicht, daß ich in die Polizeischule gehe. Sie stellte mich als Jurastudenten vor. Janna und ihr kleiner Student. So nannten sie uns.«
    Wir sitzen einander am Tisch gegenüber und blicken uns an, so wie wir uns jeden Morgen anblicken. Nur, daß er jetzt seinen Kopf in beide Hände stützt und mir geradewegs in die Augen sieht und sein Blick nicht wie sonst, ungefähr in Augenhöhe, hängenbleibt.
    »Erzähl mir von dem Kind. Wann ist es dazu gekommen?«
    »Es muß im August passiert sein, als wir zusammen auf Urlaub fuhren, denn sie eröffnete es mir im Oktober.«
    Die Erinnerung versetzt ihn in Aufruhr, und seine Stimme wird heiser. »Ich sagte ihr, sie solle es behalten. Ich komme vom Dorf, und bei uns heiratet ein Mann ein Mädchen, wenn er es schwängert. So hat man es mir beigebracht. Doch es war nicht nur das. Ich war in sie verliebt. Ich weiß, wenn man einundzwanzig ist, verliebt man sich jeden Tag dreimal. Wir waren jedoch drei Wochen lang auf den Koufonissia ununterbrochen zusammengewesen, und als wir zurückkamen, hielt ich es keine Minute ohne sie aus. Ich sagte also zu ihr, sie solle das Kind behalten und wir würden heiraten. Sie lachte auf. ›Bist du denn bei Trost?‹ sagte sie zu mir. ›Ich möchte als Journalistin Karriere machen und soll mir einen Balg und einen uniformierten Polizisten als Ehemann aufhalsen? Ausgeschlossen, ich lasse es abtreiben.‹ Ich bekniete sie. Ich erklärte ihr immer wieder, wie sehr ich sie liebte und wie sehr ich mir das Kind wünschte. Mein leidenschaftlicher Nachdruck erschreckte sie, und sie beschloß sich von mir zu trennen. Ich wurde halb wahnsinnig. Nach den Bitten verlegte ich mich auf Drohungen. Und dann tauchte sie unter. Nach dem Studentenaufstand nahm sie ihren Abschied vom ›Informationsdienst der Streitkräfte‹, zog um und änderte ihre Telefonnummer. Und ich konnte sie nirgends finden. Ich stürzte in eine so tiefe Verzweiflung, daß ich die Schule aufgab.«
    Das war der Augenblick, als sie beschloß, das Kind auszutragen und ihrer Schwester zu überlassen. Doch davon wußte Thanassis nichts.
    »Und plötzlich sehe ich sie nach all den Jahren wieder. Ich war völlig von den Socken. Sie grüßte mich freundlich und schlug vor, einen Kaffee trinken zu gehen. Dabei sagte sie auf einmal: ›Deiner Tochter geht’s übrigens prima. Sie ist jetzt neunzehn.‹ Können Sie sich vorstellen, wie mir zumute war? Ich bat sie damals, das Kind zu behalten, sie ließ mich stehen, um es abzutreiben, wegen ihr ließ ich die Polizeischule sausen, und mit einem Schlag, nach so vielen Jahren, erklärte sie mir, daß sie das Kind ausgetragen hatte und daß es neunzehn Jahre alt war. Ich verlangte es auf der Stelle zu sehen, doch sie wollte davon nichts hören.«
    Er verstummt, um Atem zu holen. Er befeuchtet wieder seine Lippen. Er spricht weiter, ohne mich anzusehen, denn er hat beide Hände vor sein Gesicht geschlagen. »Mit einem Mal erfaßte mich der trotzige Wunsch, meine Tochter zu sehen. Fragen Sie mich nicht, warum. Ich weiß es nicht. Vielleicht weil ich mir dieses Kind so sehr gewünscht hatte? Oder weil es mich wurmte, daß sie mich an der Nase herumgeführt hatte? Wahrscheinlich beides zusammen. Als ich merkte, daß es nichts brachte, Druck auf sie auszuüben, begann ich sie zu beschatten. Dabei stellte ich fest, daß ihre Tochter nicht bei ihr wohnte. Und
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