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Hellas Channel

Hellas Channel

Titel: Hellas Channel
Autoren: Petros Markaris
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Kopf auf die Knie eines jungen Burschen gelegt, der seine Arme um ihren Hals geschlungen hält. Janna lächelt in die Kamera. Die Gesichtszüge des jungen Burschen kommen mir bekannt vor. Ich beuge mich tiefer, um ihn deutlicher zu erkennen, und mein Blick saugt sich an ihm fest.
    »Wissen Sie, wann diese Aufnahme gemacht wurde?« frage ich die Antonakaki.
    »Nein, aber hier muß Janna zwischen dreiundzwanzig und fünfundzwanzig Jahre alt sein.«
    Ein gewitztes Luder, diese Karajorgi. Sie ist selbst posthum noch für eine Überraschung gut. Sie hatte Anna die Aufnahme geschenkt, damit sie jeden Abend vor dem Schlafengehen ihren Vater sehen konnte.

44
    B evor ich Antonakakis Wohnung verlasse, rufe ich beim Hellas Channel an und verlange nach dem Marineinfanteristen aus Petralona, der am Abend des Mordes an der Karajorgi Dienst hatte. Ich erhalte die Auskunft, daß er ab vier Uhr seine Schicht antritt.
    Es ist gerade mal halb eins, doch ich verspüre kei nerlei Lust, zur Dienststelle zu fahren. Die beiden As pirintabletten zeigen keine Wirkung, und ich leide nach wie vor unter meinem Brummschädel. Ich könnte mich in den Hintern beißen, daß ich gerade heute einen Kater haben muß, wo ich doch einen klaren Kopf benötige. Ich beschließe, nach Hause zu fahren und mich hinzulegen. Ich muß Ordnung in meine Gedanken bringen.
    Sovatzis hat seinen Kopf aus der Schlinge gezogen. Jetzt, wo feststeht, daß er die beiden jungen Frauen weder tötete noch umlegen ließ, können wir ihm nichts weiter anhaben. Die Dourou wird nur wegen Kinderhandels zur Verantwortung gezogen. Die Anklage der Anstiftung zum Mord verschwindet in der Versenkung. Zudem wird es von dem Augenblick an, wo klar wird, daß es sich um Albanerkinder und nicht um kleine Griechen handelt, einem guten Anwalt gelingen, sie mit einer lächerlich geringen Strafe davonkommen zu lassen. Die beiden Fernfahrer und Chourdakis werden die Zeche bezahlen müssen.
    Wäre ich nicht auf das Material über Pylarinos gestoßen, hätte ich den Mörder möglicherweise schneller gefunden. Der Aktenordner setzte mich auf eine falsche Fährte. Mein zweiter Fehler war, daß ich Kolakoglou laufenließ. Wenngleich ich dafür dickes Lob einheimste. Von Gikas für meine Fähigkeiten, von Sissis für meine Menschlichkeit. Aber eigentlich müßte ich mir selbst beidhändig den Vogel zeigen. Na schön, die falsche Fährte hatte auch etwas Gutes. Ich konnte die Kinderhändlerbande dingfest machen. Zum Teil zumindest. Die hohen Tiere kommen zwar ungeschoren davon, doch auch in dieser verstümmelten Version wird der Fall einige Pluspunkte für mich abwerfen. Und dennoch bin ich nicht zufrieden. Ich denke daran, was mich erwartet, und eine tiefe Traurigkeit überkommt mich.
    Als ich beim Hellas Channel eintreffe, ist es bereits halb fünf Uhr. Der Marineinfanterist aus Petralona ist auf seinem Posten. Er erkennt mich sogleich und erhebt sich. Ich erkläre ihm, daß wir uns an einem ruhigen Ort unterhalten sollten. Er führt mich in den leeren Raum des Wachschutzes.
    »Ich möchte mein Gedächtnis bezüglich einiger Einzelheiten auffrischen«, sage ich, sobald wir sitzen. »Sie haben mir gesagt, daß die Karajorgi am Abend des Mordes um Viertel nach elf zum Sender kam. Korrekt?«
    »Absolut korrekt.«
    »Und sie war allein.«
    »Ganz allein.«
    »Sie sind sich sicher.«
    »Absolut sicher. Ich habe, wie gesagt, ein Gedächtnis wie ein Computer.«
    »Schön. Da Sie über ein Gedächtnis wie ein Computer verfügen, werden Sie sich ja erinnern können, wie oft Sie nach Karajorgis Eintreffen nicht auf Ihrem Posten gewesen sind.«
    »Hab ich Ihnen doch schon gesagt. Nur für zwei Minuten, als ein Kollege kam und sagte, daß man sie tot aufgefunden hatte.«
    »Wir reden aber von der Zeit davor. Bevor die Karajorgi tot aufgefunden wurde, wie oft haben Sie gefehlt?«
    »Überhaupt nicht«, meint er schnell.
    »Lassen Sie die Spielchen. Tischen Sie mir kein Ammenmärchen auf, denn ich weiß, daß Sie nicht die ganze Zeit auf Ihrem Posten waren. Entweder Sie erzählen es mir im guten, oder ich nehme sie hopp und quetsche es mit anderen Methoden aus Ihnen raus! Wenn Sie sich quer stellen, riskieren Sie Ihre Entlassung. Ich schrecke vor nichts zurück!«
    Seine Muskeln erschlaffen, und er sinkt in sich zusammen wie ein Häufchen Elend. »An dem Abend übertrug man ein Basketballspiel im Fernsehen. Kurz vor dem Ende ging ich kurz rüber, um das Ergebnis zu erfahren.«
    »Wie spät war das?«
    »Kann mich
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