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Hellas Channel

Hellas Channel

Titel: Hellas Channel
Autoren: Petros Markaris
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Augen und bemühe mich redlich, mich so zu betten, daß mir so wenig schwindlig wird wie möglich.
    Mit einem bleischweren Schädel wache ich auf. Ich koche mir Kaffee und schlucke zwei Aspirin. Danach rufe ich Thanassis an. Ich frage ihn nach Antonakakis Telefonnummer. Während ich wähle, bitte ich inständig, sie möge nicht über die Feiertage weggefahren sein. Zu meinem Glück hebt sie selbst ab. Ich erkläre ihr, daß ich mit ihr sprechen möchte.
    »Kommen Sie ruhig her. Ich bin zu Hause.«
    »Mir wäre es lieber, ich könnte mit Ihnen allein sprechen.«
    »Niemand wird uns stören. Anna macht mit Freunden einen Ausflug und kommt erst am Abend wieder zurück.«
    Athen ist menschenleer. Noch niemand ist zurückgekehrt. Die meisten verreisen gleich an einem Stück bis Neujahr. In zehn Minuten bin ich in die Chrysippou-Straße im Stadtteil Zografou gelangt. Sie öffnet mir die Tür und führt mich in das kleine Wohnzimmer.
    »Darf ich Ihnen einen Kaffee anbieten?«
    »Nein danke, ich habe gerade einen getrunken. Es sind neue Hinweise aufgetaucht, und ich hätte gerne einige zusätzliche Informationen bezüglich Ihrer Schwester.«
    »Bitte, ich höre.« Sie setzt sich mir gegenüber hin.
    »1974 sind Sie bei der Rentenkasse für Seeleute gewesen, um die Beiträge Ihres Mannes einzuzahlen. Ihre Schwester war auch dabei. Können Sie sich daran erinnern?«
    »Bei der Rentenkasse war ich sehr häufig. Wie soll ich mich daran nach zwanzig Jahren noch erinnern können?«
    »Sie müßten sich eigentlich darauf besinnen können, denn Ihre Schwester war damals schwanger.«
    Ihr Gesichtsausdruck versteinert. Sie öffnet ihren Mund. Um etwas zu sagen? Um aufzuschreien? Ich weiß es nicht, denn sie schließt ihn sofort wieder, ohne einen Laut von sich zu geben.
    »Hier muß ein Irrtum vorliegen. Meine Schwester war niemals schwanger.« Sie benötigte eine Minute, um die Antwort herauszubringen.
    »Wissen Sie, wer damals Sachbearbeiter bei der Rentenkasse für Seeleute war? Kolakoglou. Er war, bevor er ein eigenes Steuerberatungsbüro eröffnete, dort angestellt gewesen. Er sagte mir, daß Ihre Schwester ’74 hochschwanger war.« Ich verstumme, doch auch sie schweigt sich aus. »Was ist mit dem Kind geschehen, Frau Antonakaki?«
    Sie verfällt auf die naheliegendste Lösung. »Es ist gestorben.«
    »Wenn es gestorben ist, dann muß eine Sterbeurkunde existieren. Wissen Sie, von welcher Behörde sie ausgestellt wurde? Vom Standesamt für den Bezirk Athen?«
    »Es ist bei der Geburt gestorben.«
    »Nun gut. Dann hätte ich gerne den Namen des Geburtshelfers und der Gebärklinik, um die Angaben zu überprüfen.«
    Sie ist mit ihrem Latein am Ende und blickt mich wortlos an.
    »Das Kind hat möglicherweise etwas mit dem Mord an Ihrer Schwester zu tun!«
    »Nein!« Sie fährt voll Angst in die Höhe. »Es hat überhaupt nichts damit zu tun! Ich schwöre es Ihnen! Überhaupt nichts!«
    Ich komme ihr auf die sanfte Tour. »Hören Sie zu, Frau Antonakaki. Mit der Wahrheit fahren Sie immer am besten. Wenn Sie mir nicht sagen, was aus dem Kind wurde, werden wir anfangen zu suchen. Wir werden alle Gebärkliniken in ganz Griechenland durchkämmen. Wir werden mit diesem Problem schon fertigwerden, darauf können Sie Gift nehmen. Nur etwas Zeit wird es brauchen. In der Zwischenzeit wird die Gerüchteküche brodeln, die Journalisten werden sagen, daß Janna Karajorgi ihr Kind im Stich gelassen habe. Ist es nicht sinnvoller, wenn Sie mir die Wahrheit sagen, statt den Namen Ihrer Schwester in den Schmutz ziehen zu lassen?«
    Wieder antwortet sie nicht, doch nun bricht sie in Tränen aus.
    »Was ist aus dem Kind geworden?« beharre ich, doch immer noch auf die freundliche Tour. »Wo ist es?«
    »Na, hier.«
    »Hier? Was meinen Sie mit hier?«
    »Hier, in dieser Wohnung. Es ist meine Anna.«
    Sobald ich mich von der ersten Überraschung erholt habe und nachrechne, sehe ich, daß die Daten zusammenpassen. Als Kolakoglou die beiden bei der Rentenkasse für Seeleute traf, hätte eigentlich Mina und nicht Janna schwanger sein müssen.
    »Vassos und ich, wir konnten keine Kinder bekommen«, erzählt sie unter Tränen. »Die Ärzte meinten, daß es an Vassos lag, doch der wollte nichts davon hören. Er sagte immer, ich sei unfruchtbar. Schließlich wollte er sich von mir trennen. Er stand kurz vor einer langen Fahrt. Die sollte ungefähr eineinhalb Jahre dauern. Zunächst hatte er diese Fahrt angenommen, um Geld zu sparen, damit wir diese Wohnung
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