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Heldenstellung

Heldenstellung

Titel: Heldenstellung
Autoren: Sebastian Glubrecht
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war das kein Problem. Außerdem hatte Adam über die Jahre nur gearbeitet und kein Geld ausgegeben. Er hatte schon seit Längerem nach einer guten Anlagemöglichkeit gesucht. Jetzt hat er eine gefunden. Hari schaut ihn so stolz an wie einen Sohn.
    Langfristig will Adam mit Hari-Yoga das neue Geschäftsfeld »Business-Yoga« erobern, um einen Gegenpol zur stressigen Geschäftswelt zu bieten und »Typen wie mir zu zeigen, was eigentlich normal ist«. Unterrichtet wird in den Seminarräumen der Firmen.
    »Hari und Sina sind zertifizierte Lehrer, ich bringe die Kontakte mit und übernehme die Organisation.« Mit einigen Unternehmensberatungen hat er bereits Kontingentdeals abgeschlossen, die sie von der Steuer absetzen können. Die erste ist Caesar & Horn.
    Sein Blick eilt zwischen den Zuhörern umher, bis er mich findet.
    »Und da wäre noch Frederick.« Die Köpfe drehen sich zu mir.
    Ich schaue überrascht. Die Teilnehmer machen eine Gasse frei, durch die Adam nun auf mich zukommt.
    Als er direkt vor mir steht, nimmt er mich in den Arm. Herzlich, ohne Abstand oder Ironie. So, wie man einen Freund umarmt.
    »Du hast mir den Weg gezeigt. Dafür danke ich dir. Er hält mich an beiden Schultern fest und sieht mich an. Danke, dass du mir das Leben gerettet hast, obwohl ich dir deines so schwergemacht habe.«
    Sein Lächeln ist unerschütterlich. »Dafür darfst du dir etwas von mir wünschen.«
    Ich sehe zu Sina herüber. Ehrlich gesagt ist mein einziger Wunsch, so viel Zeit wie möglich mit ihr zu verbringen. Ich winke Adam etwas näher heran. Er beugt seinen Kopf nach vorn, so dass ich ihm ins Ohr flüstern kann:
    »Also auch wenn wir das anders vereinbart hatten, würde ich mich gern um einen Job bewerben.« Adam nickt und holt Hari. Leise erzählt er ihm, was ich ihn gerade gefragt habe. Hari nickt.
    »Du kannst dich um die Hilfsmittel kümmern«, schlägt er vor. »Deine Vorgesetzte ist Sina.« Ich schaue sie an, und sie schenkt mir ein Lächeln. Einverstanden. Das ist vielleicht nicht viel, aber manchmal braucht man eben auch nicht viel, um glücklich zu werden.
    »Wann soll ich anfangen?«, frage ich. Den Taxijob würde ich sofort hinschmeißen. Offen gestanden würde ich alles dafür hinschmeißen, dass mir Sina eine Chance gibt.
    »Lass uns das nächstes Jahr beim Essen besprechen«, meint sie. »Ich mache ein ziemlich gutes Curry.«
    Plötzlich ruft Zoe: »Zehn, neun, acht, sieben . . .«
    Die anderen fallen ein, und wir zählen das alte Jahr gemeinsam bis null herunter. Fast hätte das neue angefangen, ohne dass wir es gemerkt hätten. Die Teilnehmer umarmen sich, ein Sektkorken knallt, Error küsst seine Verlobte. Hari und Adam drücken sich wie Vater und Sohn.
    Vor mir steht Sina.
    Ich ziehe den Briefumschlag aus der Hosentasche und mache einen Schritt auf sie zu. Leider hat sie offenbar dieselbe Idee, und wir stoßen mit den Köpfen zusammen.
    »Autsch«, ruft Sina und hält sich die Stirn. Auch ich hebe instinktiv die Hand hoch und lasse dabei den Umschlag fallen. Ehe ich es verhindern kann, hebt Sina ihn auf. »Was ist das?«, fragt sie. »Für dich.« Sina reißt das Papier auf und nimmt ein Flugticket heraus: Frankfurt – Pune und zurück. Ihre Kinnlade klappt herunter.
    »Soll ich zum Guruji fliegen?« Ich schüttle den Kopf und deute noch mal in den Umschlag.
    Sina greift erneut hinein und hält nun einen gefalteten Flyer in der Hand. Auf dessen Vorderseite sind Bilder von einer bunten, tempelähnlichen Holzhausanlage am Strand zu sehen. Darunter steht in indisch stilisierter Schrift »SINA Lodge & Ashram«.
    Sie schaut mich fragend an. »Ist das jetzt ein Scherz?«
    »Nein, eher eine Mutprobe.«
    Sie klappt den Flyer auseinander. Auf einer kleinen Plattform am Strand steht eine Frau in Yogahose und T-Shirt in der Heldenstellung. Sie sieht aus wie Sina, etwa zwanzig oder dreißig Jahre älter, so genau kann man das nicht sagen.
    »Ist das . . .?«, fragt sie mit zitternder Stimme. Ich nicke. Ich nehme sie in den Arm. »Das schaffe ich nicht allein«, sagt sie und zieht mich an sich.
    »Das musst du auch nicht«, entgegne ich und zücke mein Flugticket. Dann küssen wir uns endlich wieder – etwas später als alle anderen, aber dafür auch viel länger. Bis sich Sina von mir löst, um noch einen Blick auf ihre Mutter zu werfen.
    »Woher hast du bloß ihre Adresse?«, fragt sie leise. »Von Hari?«
    »Nein«, sage ich ehrlich. »Von meinem Backoffice.«

Dank / Thanks / Namasté
    Ich habe
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