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Heldenstellung

Heldenstellung

Titel: Heldenstellung
Autoren: Sebastian Glubrecht
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Eltern, glauben Sie mir.«
    »Dann wäre ich lieber der Sohn von Brad Pitt«, entgegne ich.
    Sie schaut unbeeindruckt auf die Gästeliste. »Der konnte heute leider nicht kommen, sonst hätten Sie sich noch adoptieren lassen können. Ich glaube, in Ihrem Alter hat der noch niemanden.« Sie drückt mir einen Garderobenzettel in die Hand und klopft auf den freien Stuhl neben sich. »Aber hier ist auch immer ein Plätzchen für Sie frei. Den Weg kennen Sie ja.«
    Ohne ein weiteres Wort drehe ich mich um und steige die Treppen hinauf. Zeit, der Wahrheit ins Gesicht zu sehen – und meinem Vater.
    An meinem dritten Geburtstag hat er mich zum ersten Mal mit in den Best-Buddies-Business-Club (BBBC) genommen. Hier bekam ich meine ersten Manschettenknöpfe, lange bevor ich Hemden trug. Während andere Kinder bei sich zuhause mit Buntstiften Häschenbilder ausmalten, kritzelte ich im Eingangsbereich des Clubs mit einem vergoldeten Kugelschreiber Haifische unter die Dax-Kurve. Die Clubmitglieder gewöhnten sich schnell daran, von einem kreischenden Jungen aus dem Hinterhalt angegriffen zu werden, wenn sie gerade Zeitung lasen. Manche Kollegen aber warfen meinem Vater irgendwann gequälte Blicke zu. Dann schimpfte er nicht mit mir oder ermahnte mich, leiser zu sein. Nein, er löste das Problem so effizient, wie es nur ein Berater konnte: Er gab mich an der Garderobe ab.
    Klingt nach verkorkster Kindheit? Falsch. Der Vorwand, einen Whisky für meinen alten Herren zu holen, verschaffte mir hier schon mit zehn Jahren meinen ersten Vollrausch, meine erste Zigarre habe ich von einem dieser Tische geklaut – und es war immerhin eine echte Havanna.
    Neben der Tür hängt ein Bild meines Vaters. Darunter steht: Richard von Schnaidt wird 62. Wir gratulieren unserem Geschäftsfreund und Partner . Ich drücke die Klinke herunter.
    Applaus brandet auf. Er gilt nicht mir, sondern einem jungen Mann, der sich offensichtlich weigert, vor das Rednerpult zu treten. Er ist schmächtig, blass und trägt einen Seitenscheitel. Früher war er sicher einer von diesen Strebern, die es nicht stört, gehänselt zu werden, weil sie genau wissen, dass sie sich eines Tages einfach von bezahlten Schlägern rächen lassen können. Seine Bewegungen sind bedacht und sicher, als er durch die Reihen der Gäste nach vorn geht.
    Hinter einem beeindruckenden Technikpult, das in einer Schattenecke des Raumes verborgen liegt, kommt ein Techniker mit Kordanzug, hängenden Schultern und Britpop-Pilzkopf hervor. Er streicht sich die Haare aus dem Blickfeld und reicht dem Streber einen Laserpointer.
    »Möge die Macht mit mir sein«, scherzt der junge Mann mit überraschend hoher Stimme und lässt den Laserpointer aufblitzen. Jemand skandiert »Adam, Adam!«, andere stimmen ein. Der Bejubelte streckt die Arme aus, die Rufe verstummen. »Das war mein Backoffice«, erklärt er. »Ich habe ihnen Urlaub versprochen.«
    Erneutes Gelächter.
    »Na gut. Ihr habt es so gewollt. What’s the project?«
    »PowerPoint-Karaoke!«, ruft eine Frauenstimme,
    »Assessment Center«, ein Mann.
    »Meilen-Check«, höre ich einen anderen.
    »Klugscheißing«, werfe ich in die Runde und drehe mich schnell um, bevor mich jemand sieht.
    »Es ist nicht so, dass ich euch für jeden Vorschlag bezahle«, scherzt Adam. »Wir sind hier nicht beim Kunden.«
    Nach und nach mehren sich die Rufe nach PowerPoint-Karaoke, bis der Techniker schließlich einen Videobeamer anschließt und Adam aufmunternd zunickt.
    »Okay, mal schauen, welchen Case ich kriege.« Er geht zu dem Laptop und drückt eine Taste. Buchstabe für Buchstabe rast das Thema der Präsentation an die Wand, bis es schließlich Satz und Sinn ergibt. Oder auch nicht:
    Was wir von Haustieren lernen können , steht dort.
    Na, ist doch klar: Fressen oder gefressen werden.
    Eine Hostess stellt sich neben mich, bewegt den Kopf in Richtung meines Ohrs: »Das Spiel heißt Unternehmensberatung«, erklärt sie. Wie? Die spielen in ihrer Freizeit ihren Beruf nach? Na ja, immerhin haben sie noch einen. Die Hostess sieht meine Zweifel und fügt schmallippig hinzu: »Ist doch lustig.« Leider fährt mein Sinn für Humor noch auf irgendeinem Rollband durch den neuen Berliner Flughafen spazieren.
    An die weiße Wand wird nun das Bild eines kopulierenden Hamsterpärchens geworfen. Das Publikum johlt. Die Hostess nutzt den Augenblick, um sich wieder zu mir zu beugen.
    »Ihr Geschenk legen Sie bitte dorthin«, flüstert sie noch und deutet auf einen Tisch
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