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Heldenklingen

Heldenklingen

Titel: Heldenklingen
Autoren: Joe Abercrombie
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ganz schwachen Feuerschein, der die Ränder der Steine leicht rot färbte. Hörte Männerstimmen über das langgezogene Knurren des Windes schwatzen. Das machte ihm erneut bewusst, in welche Gefahr er sich begab, und eine neuerliche Welle der Angst überspülte ihn. Aber Angst ist eine gesunde Empfindung, solange sie einen zum Nachdenken bringt. Das hatte Rudd Dreibaum ihm gesagt, vor langer Zeit. Er hatte über die Sache nachgedacht, und er wusste, dass er das Richtige tat. Oder zumindest das am wenigsten Falsche. Und das ist manchmal das Beste, was man sich erhoffen kann. Es schien immer öfter der Fall zu sein, je mehr Jahre vergingen.
    Also holte er tief Luft, versuchte sich daran zu erinnern, wie er sich früher gefühlt hatte, als seine Gelenke noch nicht so knackten und ihm alles scheißegal zu sein pflegte, wählte auf gut Glück eine Lücke zwischen zweien der alten, großen Steine und schlenderte hindurch.
    Vielleicht war das einmal ein heiliger Ort gewesen, in uralter Zeit, und womöglich ruhte hohe Magie in den Steinen, so dass es ein schweres Verbrechen war, uneingeladen in diesen Kreis zu treten. Aber falls sich irgendwelche alten Götter gestört fühlten, dann hatten sie wohl keine Möglichkeit, es ihm zu zeigen. Der Wind erstarb mit einem traurigen Seufzen, und das war alles. An Magie herrschte allgemein ein ziemlicher Mangel, und allzu viele geheiligte Dinge gab es auch nicht mehr. So waren die Zeiten nun einmal.
    Das Licht zuckte über die Innenseiten der Helden, blasses Orange wanderte über zernarbten Stein, fleckig mit Moos bewachsen und von alten Brombeerranken, Brennnesseln und in Saat geschossenen Gräsern umringt. Ein Monolith war in der Hälfte abgebrochen, einige weitere im Laufe der Jahrhunderte umgestürzt; sie hatten Lücken hinterlassen, die sich wie fehlende Zähne im Grinsen eines Todesschädels ausnahmen.
    Kropf zählte acht Männer, die sich eng in geflickte Umhänge, abgetragene Mäntel und zerlumpte Decken gewickelt hatten und um ihr windgeducktes Lagerfeuer saßen. Feuerschein flackerte über hagere, vernarbte, stopplige und bärtige Gesichter. Funkelte auf den Rändern ihrer Schilde, den Klingen ihrer Waffen. Vielen Waffen. Zwar waren die Kerle größtenteils ein Gutteil jünger, aber sie sahen kaum anders aus als Kropfs eigene Leute. Vielleicht waren sie auch kaum anders. Einen kurzen Augenblick glaubte er sogar, in einem der Männer, der ihm das Gesicht seitlich zuwandte, Jutlan zu erkennen. Ein Blitz der Erinnerung durchzuckte ihn, und ums Haar wäre ein lauter Gruß über seine Lippen gekommen. Doch dann fiel ihm wieder ein, dass Jutlan schon zwölf Jahre unter der Erde lag, und dass er selbst die Worte an seinem Grab gesprochen hatte.
    Vielleicht gab es ja nur eine begrenzte Anzahl von Gesichtern auf der Welt. Und wenn man alt genug geworden war, dann sah man halt die gebrauchten wieder.
    Kropf schüttelte den Gedanken ab und hob die Hände, die Handflächen offen und ausgestreckt, wobei er sich alle Mühe geben musste, damit sie nicht zitterten. »Einen schönen Abend!«
    Die Gesichter schossen zu ihm herum. Hände griffen hastig zu den Waffen. Ein Mann riss einen Bogen hoch, und Kropf fühlte, wie ihm das Herz in die Hosen rutschte, aber noch bevor der andere die Sehne ausziehen konnte, streckte sein Nachbar den Arm aus und drückte die Waffe wieder herunter.
    »Na, langsam, Rotkrähe.« Der Sprecher war ein alter, kräftiger Kerl mit langem, verfilztem grauem Bart, dem ein nacktes Schwert hell funkelnd und einsatzbereit über den Knien lag. Kropf schenkte ihm ein seltenes Grinsen, denn dieses Gesicht kannte er tatsächlich, und das verbesserte seine Chancen erheblich.
    Der andere hieß Hartbrot, und er war ein namhafter Mann vom alten Schlag. Kropf und er hatten über die Jahre bei einigen Schlachten auf derselben Seite gestanden, bei ein paar anderen auch auf verschiedenen. Aber er hatte einen sehr anständigen Ruf. Ein erfahrener Kämpe, von dem man erwarten konnte, dass er über die Dinge nachdachte; keiner von denen, die erst töten und dann Fragen stellen, was heutzutage immer mehr in Mode kam. Außerdem sah es so aus, als sei er der Häuptling dieser Truppe, denn der Kerl, den er Rotkrähe genannt hatte, ließ den Bogen brummend sinken, wie Kropf zu seiner Erleichterung feststellte. Wenn es nach ihm ging, würde es heute Abend keine Toten geben, und er schämte sich nicht zu sagen, dass er doppelt froh sein würde, wenn er selbst verschont blieb.
    Doch noch lagen
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