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Heißer Schlaf

Heißer Schlaf

Titel: Heißer Schlaf
Autoren: Orson Scott Card
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das vermutlich einige Kilometer hoch und lang ist, nirgends auf diesem Planeten gefunden werden kann. Dennoch mag sich diese sogenannte Auffahrt auf irgendwelche Tatsachen gründen – Jason könnte in der Tat abgereist sein, aber nicht in den Himmel; eher ist er wahrscheinlich in die Himmelsberge gezogen, um sich für den Rest seines Lebens im Wald der Wasser niederzulassen. Vielleicht haben die Grundeigentümer im Wald der Wasser deshalb die scheinbar arrogante Angewohnheit, ihre Heimat »Jasons Land« und sogar »das von Jason erwählte Land« zu nennen.
    Jasons Sohn. Und hier haben wir die Erfüllung des Wunsches aller derjenigen Völker, die auf ein Goldenes Zeitalter zurückblicken können. Genau wie die Leute von Wien auf die Wiederkehr des großen Sängers Hardon Hapwee warten, der ihre Heere einst auf den Ebenen von Ostweg zum Siege führte, so will es die in vielen Teilen der Welt besonders unter einfachen Leuten verbreitete Legende, daß Jasons Sohn eines Tages kommen wird, blauäugig, wie Jason es war, seinen »verborgenen Namen« tragend und mit vielen Talenten ausgestattet, deren wichtigstes die Fähigkeit ist, den Leuten ins Herz zu schauen und ihre geheimsten Gedanken zu lesen. Was für Aussichten! Aber auch hier dürfen die Archäologen die Legende nicht länger außer acht lassen. Sie muß irgendeinen Sinn haben, der hinter den Ereignissen jener Zeit verborgen liegt, und es ist sogar möglich, daß der wirkliche Jason, wenn es einen solchen Mann je gegeben hat, dem Volk seiner Zeit genau das versprochen hat.
    Allerdings waren von der Abwanderung wahrscheinlich nicht fast eine halbe Million Menschen betroffen, wie die zweifellos übertriebenen Legenden es darstellen. Diese großen Nationalhelden sind wahrscheinlich mit ziemlich kleinen Gruppen aufgebrochen und haben den unwissenderen Völkern in verschiedenen Teilen der Welt ihre überlegene Zivilisation gebracht. Das würde allerdings in einem gewissen Sinne des Wortes bedeuten, den Menschen – den zivilisierten Menschen – an einen Ort zu bringen, an dem er noch nie gelebt hat. Und ein sorgfältiges Studium der Aven-Landkarte wird uns zweifellos ein besseres Verständnis der Religion, der Regierungsformen und der Kultur von Menschen vermitteln, und zwar bis in eine Vergangenheit hinein, die den Archäologen bisher unerreichbar schien …

    Die Aven-Landkarte
    Erste Übersetzung, 1204,
    Universität von Darkwater
    Seite 22-25

16

    Der kleine Reuben folgte dem Vogel in den Wald. Er sah nicht, wohin er ging. Er merkte nicht, daß er den gerodeten Streifen überquerte, der sich um die ganze Farm zog. Aber selbst wenn er es gemerkt hätte, wäre er vielleicht nicht stehengeblieben. Denn er war erst vier Jahre alt und seine Erziehung durchaus noch nicht beendet.
    Der Vogel flog, weil er klein war, natürlich mit Leichtigkeit durch die unsichtbare Schranke und in das dichte Unterholz des Waldes der Wasser. Aber Reuben sah im mer noch den roten Farbtupfer, der auf einem Ast hin und her hüpfte. Er wußte nicht, daß der Vogel deshalb hüpfte, weil er die Schranke zwar durchflogen, jetzt aber Mühe hatte, sich auf dem Ast zu halten. Die Schranke hatte nämlich in seinem kleinen Gehirn heillose Verwirrung ausgelöst.
    Auch Reuben rannte durch die unsichtbare Schranke – aber er mußte weit schwerer dafür büßen als der Vogel. Von dem Augenblick an, da er mit dem Kopf in das Feld eindrang, bis zu dem Augenblick, da er zu Boden stürzte, empfand er schlimmere Schmerzen, als er je in seinem kurzen Leben empfunden hätte. Es schien, als brannte jeder Nerv in seinem Körper. In seinem Kopf krachten gewaltige Donnerschläge, und vor seinen Augen tanzten Blitze. So groß war der Schmerz, daß er gar nicht merkte, daß er sich die Schulter an einem scharfen Stein verletzt hatte und stark blutete.
    Er hörte nicht einmal den gräßlichen Schrei, den er ausstieß.
    Und weil sein Bein nach dem Sturz mitten in der Schranke liegengeblieben war, nahm der Schmerz kein Ende.
    Er wurde ohnmächtig, aber nicht früh genug. Als er im dunklen Haus aufwachte und Vater und Großmutter ihm die Arme massierten, hatte er noch immer den schrecklichen Donner in den Ohren, und weiße Flecken tanzten am Rand der für ihn sichtbaren Welt, und immer wenn er versuchte, sie zu betrachten, verschwanden sie, und sein Bein war völlig taub.
    Er hörte nichts als den Donner, obwohl Großmutter die Lippen bewegte, und sie schien wütend zu sein. Er wunderte sich, warum sein Bein sich so
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