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Heiße Nächte: Erotischer Roman (German Edition)

Heiße Nächte: Erotischer Roman (German Edition)

Titel: Heiße Nächte: Erotischer Roman (German Edition)
Autoren: Tran Arnault
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eigenes Zimmer zurückzukehren, um Wasser über Ihren Körper fließen zu lassen, um alle Spuren fortzuspülen. Wie eine Zaubertafel, von der mit einer Geste alles verschwindet. Sie betrachten den Mann, der auf dem Rücken liegt, das Glied ruht seitlich auf dem rechten Schenkel. Die Hüften sind fast gerade, die Finger liegen im Dunkeln, die Brust ist breiter als üblich, das Ohr verstümmelt. Ein schlafender Mann ist ein Doppelgänger, der nichts von seinem anderen Ich weiß. Auf dem Laken zwischen Ihnen bildet eine dunkle Flüssigkeit eine Art Grenze. Das Einzige, das bleibt. Sie nähern sich mit Ihrer Hand Ihrer Scheide. Nur einen kurzen Augenblick lassen Sie Ihre Finger hineingleiten und atmen ein. Ihnen steigen unterschiedliche Gerüche in die Nase. Seiner, der an würzigen Tabak erinnert, verbindet sich mit dem Ihres Geschlechts zu einer intensiven Mischung. Es gibt nichts Vergleichbares, außer vielleicht Alkohol, zähflüssiger Alkohol, gemischt mit dem Salz des Meeres.
    Ich fahre nicht mit dem Zug zurück zu D. Doch ich habe meinen Koffer gepackt. Vor dem Hotel hält ein Taxi, um mich zum Bahnhof zu bringen. Ich bestelle es ab. Ich denke nicht darüber nach, ob ich dem Billardspieler an der Rezeption oder in einem der Räume des Hotels begegnen könnte. Bestimmt ist er früh abgereist.
    Die erhoffte Amnesie wirkt bereits spürbar in meinem Körper: An der Oberfläche findet sich keine bleibende Narbe. Nichts. In meinem Kopf schieben sich lediglich Bilder übereinander, etwas unscharf und ohne jegliche Ordnung. Bilder, die das Vorhaben in mir reifen lassen, die Spannung wiederzugeben. Später werde ich mich jenem doppelten Genuss widmen, erst dem einen, dann dem anderen. Der abgründigen Unordnung, dann der Partitur. Ich werde in den Trümmern nach Spuren suchen.
    Ich gehe wieder hinauf in mein Zimmer. Sehe einen Augenblick aus dem Fenster. Menschen laufen über den Vorplatz zur Einkaufspassage oder zum Bahnhof. Ein Stadtführer wendet sich vor einem Zeitungskiosk an eine Gruppe Touristen. Er trägt zu enge Kleidung. Trotz Umhängetasche und Schirmmütze wirkt er nicht mehr ganz jung. Ein herumstreunender, furchtbar hässlicher Hund schnüffelt an seinen Hosenbeinen und ärgert ihn. Während der Mann mit großer Geste auf einen Dom deutet, versucht er zugleich vergeblich, sich mit dem Fuß von dem Tier zu befreien. Ich denke an Charlie Chaplin und muss lachen. Ich darf das Zimmer noch ein paar Stunden behalten, Zeit genug, um mich ein bisschen um mich zu kümmern.
    Die sich kreuzenden Klingen der Schere produzieren ein sehr spezielles Geräusch, dumpf, metallisch, perfekt, als ob man eine gerade Linie auf einem Blatt Papier zeichnet. Ich sehe, wie die erste dunkle Strähne geräuschlos auf den sauberen Boden fällt. Ein Nest, das vom Dach gefallen ist, ein Teil von einem selbst, von dem man sich vollkommen schmerzfrei trennt. Als ich erneut mein Spiegelbild betrachte, achte ich nicht auf mein Gesicht, sondern auf mein begonnenes Werk, das nicht rückgängig zu machen ist. Das Risiko zu versagen ist quasi abzusehen. Ich greife wahllos in den dichten Schopf und lasse die Klingen des Werkzeugs übereinandergleiten. Schließe Daumen und Zeigefinger. Treffe auf erheblichen Widerstand, der zum Schnitt zwingt. Ein Haufen Ringelnattern sammelt sich zu meinen Füßen. Weiter schneiden. Immer dichter an den Schädel heran. Die Geste stetig wiederholen, um fertig zu werden.
    Ich strecke mich auf dem abgezogenen Bett aus. Schnell einschlafen.
    Erst in dem Gespräch, das ich mit D. im Auto geführt habe, ist mir bewusst geworden, dass jemand sich für mich interessieren, Zuneigung für mich empfinden könnte. Habe ich begriffen, dass mein Leben endlich ist. Normalerweise habe ich Erwartungen erfüllt oder sie übertroffen. Ich habe mich deshalb nicht beklagt, ganz im Gegenteil. Ich habe daraus Energie geschöpft, die ich weitergegeben habe. Darauf war ich stolz. Nachdem ein Mann mich meiner Rolle beraubt hat, ist das Leben für mich weniger reizvoll. Vielleicht kehre ich zurück. Ich hinterlasse von Anfang an eine Spur, Zeichen einer Reise ohne Erzählungen oder detaillierte Berichte. In regelmäßigen Abständen schicke ich Karten nach Biarritz. Karten, die ich zufällig auswähle, irgendwelche Fotografien mit falschen Farben: Das Blau des Himmels ist zu blau, das Weiß der Steine zu weiß, der Ausschnitt beliebig.
    Taormina, Poststempel vom 17. September
    (Die Karte zeigt die Gärten von San Domenico.)
    Draußen
    An
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