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Heinichen, Veit - Proteo Laurenti 01 - Gib jedem seinen eigenen Tod

Titel: Heinichen, Veit - Proteo Laurenti 01 - Gib jedem seinen eigenen Tod
Autoren: Veit Heinichen
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Stock auf den darunterliegenden kletterte. Fossa war stark und durchtrainiert. Er hatte sich trotz aller Bedenken des Questore nicht abhalten lassen. Rasch hatte er sich die Schuhe abgestreift, das Funkgerät um den Hals gehängt und war auf dem darunterliegenden Balkon gelandet, wie geplant. Es war nur ein kurzer dumpfer Schlag gewesen, den sein Aufsprung auslöste. Der Questore hatte sich dennoch erschrocken. Fossa gab kurz darauf ein Zeichen, daß Wolferer im zweiten Zimmer sei. Fossa stieg über das Geländer des Balkons und tastete sich, den Rücken zur Fassade gekehrt, in vorsichtigen kleinen Schritten über den kleinen Mauervorsprung, der zum nächsten Balkon führte. Dann rutschte er ab. Aber Fossa hatte sich halten können. Er hing am Geländer des Nachbarbalkons. Ganz langsam zog er sich wieder hinauf. Und endlich hörte der Questore seine Stimme aus dem Funkgerät.
     
    Fossa hatte Wolferer mit den Mädchen gesehen. Weil gegenüber dem »Savoya Palace« sich nur noch das offene Meer befand, gab es keine zugezogenen Vorhänge. Sie waren zu zweit mit Wolferer beschäftigt. Der hohe Beamte lag unten, schweißüberströmt und mit einem seligen Gesichtsausdruck, die Augen halb geschlossen. Die blonde Dame, die ihn mit wippenden Brüsten ritt, machte einen desinteressierten Eindruck. Wolferer hielt sie an den Hüften fest. Ein anderes Mädchen kam aus dem Bad und bediente sich aus der Champagnerflasche. Plötzlich hatte sie eine kleine Kamera in der Hand und drückte mehrmals auf den Auslöser. Die schöne Blonde hatte den Kopf lasziv zurückgeworfen und eine von Wolferers Händen an ihre Brüste geführt. Auf dem Foto mußte er auch ohne Blitzlicht gut zu erkennen sein. Die Fotografin steckte die Kamera in ihre Handtasche und zog sich an. Nun erhob sich auch die andere, Wolferer konnte sie nicht mehr zurückhalten. Er stand auf und verschwand im Bad. Nach einigen Minuten kam er heraus und zog sich ebenfalls an. Die beiden Mädchen warteten gelangweilt. Fossa hatte mit gepreßter Stimme über Funk dem Questore haarklein jedes Detail berichtet. Er hoffte, mit seinem Einsatz den Kopf aus der Schlinge ziehen zu können.
    Fossas Arbeit war getan, er wollte nicht mehr warten. Er war auf das Balkongeländer gestiegen und wollte sich am darüberliegenden Balkon hochziehen. Aber Fossa war zehn Zentimeter zu klein. Wenn er spränge, dachte er, müßte es klappen.
    Fossa war zwei Stockwerke tief gestürzt und auf einen ausladenden Balkon der Beletage geknallt. Ein Tisch hatte seinen Fall etwas gedämpft. Der Questore war das Treppenhaus hinuntergelaufen, war dank des Generalschlüssels schnell im richtigen Zimmer gewesen und hatte sich neben Fossa gekniet. Fossa gelang ein Lächeln, als er ihn erkannte.
    »Es geht schon«, stöhnte er.
    »Einen Krankenwagen«, bellte der Questore ins Funkgerät, »und zwar schnell!« Dann nahm er ein Kissen von den Hotelbetten und schob es Fossa unter den Kopf.
    Es dauerte, bis endlich die Sanitäter kamen. Der Questore beugte sich immer wieder über das Balkongeländer, als könnte er damit das Eintreffen des Krankenwagens beschleunigen. Nach einer Viertelstunde sah er Wolferer mit den Damen in ein Taxi steigen, dann erst kam Hilfe für Fossa.
    »Fossa wird’s überleben, es hätte schlimmer kommen können. Fünf gebrochene Rippen, das Schlüsselbein ebenfalls, und eine schwere Gehirnerschütterung. Er ist Gott sei Dank hart im Nehmen.« Während der Questore diese Geschichte erzählte, blieb sein Blick auf die Tischplatte geheftet.
    Routinearbeit
    Seit elf Uhr wurde Dr. Otto Wolferer verhört. Sie saßen in einem kahlen Raum mit einem langen Tisch und sechs Stühlen. Auf der Mitte des Tisches standen Mikrofone und ein Aufnahmegerät. Sie waren im Coroneo, dem Justizpalast mit den Zellen für die Untersuchungshäftlinge. Wolferer hatte verlangt, daß der österreichische Konsul gerufen wurde. Der allerdings hatte sich geweigert, als er Genaueres erfahren hatte, und lediglich einen Anwalt des Konsulats geschickt. Außer Laurenti waren eine vereidigte Übersetzerin sowie Zanossi anwesend. Der Maggiore der Guardia di Finanza wartete gelangweilt darauf, daß das Verhör irgendwann an dem Punkt ankam, an dem es auch für ihn interessant würde. Geld.
    Bisher waren sie nicht viel weiter gekommen als zu schwammigen Erklärungen Wolferers, daß er sich selbst von der ordnungsgemäßen Abwicklung der Hilfslieferungen für die Türkei hatte überzeugen wollen und hereingelegt wurde. Er sei ein
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