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Heinichen, Veit - Proteo Laurenti 01 - Gib jedem seinen eigenen Tod

Titel: Heinichen, Veit - Proteo Laurenti 01 - Gib jedem seinen eigenen Tod
Autoren: Veit Heinichen
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Kleid schon wieder übergeworfen und sich durch die Gäste gezwängt, bis sie sich vor Laurenti aufgebaut hatte. Sie bebte am ganzen Leib. Laurenti schaute sie mit ironischem Blick an, während sie ihn mit stechenden, wütenden Augen fixierte.
    »Sagen Sie mir, was das hier soll! Sie stören eine private Gesellschaft«, fuhr sie ihn an.
    Laurenti mußte über diesen Auftritt lächeln.
    »Kann ich mir gut vorstellen! Nette Gesellschaft übrigens, Signora. Complimenti! Hier ist ein Durchsuchungsbefehl«, sagte er gleichgültig, doch die schöne Frau schien nicht besonders interessiert zu sein. Laurenti winkte einer Beamtin, die Tatjana Drakic blitzschnell eine kühle und enge Handfessel um die Handgelenke legte. Es hatte lediglich zweimal leise geklickt. Tatjana Drakic wollte noch etwas sagen, doch Laurenti hatte der Polizistin einen Wink gegeben, sie abzuführen.
    »Figlio di puttana«, zischte sie und spuckte ihm ins Gesicht. Laurenti blieb ungerührt und wischte sich mit dem Ärmel seines Hemdes ab. Er versuchte, in der Menge, die ihn unruhig und ängstlich anstarrte, Tremani, den jungen Kopfersberg und Viktor Drakic zu finden. Wo zum Teufel waren sie geblieben? Er sah nur Decantro, der ihm zuwinkte und sich auf den Weg zum Ausgang machte.
     
    Plötzlich kam Emilio Cardotta, in einem weißen Slip, der unmöglich der seinige sein konnte, mit ausgestreckter Hand und einer Haltung, als trüge er Frack und Fliege, auf Laurenti zu.
    »Commissario, guten Abend! Starker Auftritt, Kompliment. Aber wofür das alles? Nun, Sie werden es mir sicher morgen erzählen. Ich war soeben im Aufbruch, also rufen Sie mich an, Laurenti!« Er gab ihm einen Klaps auf die Schulter und wollte sich gerade davonmachen. Laurenti hatte ihm weder die Hand gereicht noch die Absicht, ihn ziehen zu lassen.
    »Es tut mir leid, Dottore«, sagte Laurenti zu ihm. »Im Moment darf hier niemand weg. Auch Sie nicht.«
    Zwei Polizeibeamte stellten sich auf sein Zeichen Cardotta in den Weg.
    Dem Politiker verschlug es tatsächlich für einen Augenblick die Sprache. Dann murmelte er ein paar unverständliche Worte und schaute dabei auf seine Armbanduhr. Sein Teint hatte sich dunkel verfärbt.
    »Und wie lange soll das dauern?« fragte er mit gepreßter Stimme.
    »Bis wir fertig sind, Dottore. Und übrigens: in dem Aufzug sollten Sie nicht auf die Straße treten. Sie kennt doch jeder. Stellen Sie sich vor …« Laurenti hatte sich bereits abgewandt, doch dann wandte er sich noch einmal zu Cardotta um. »Haben Sie Kopfersberg gesehen? Und Drakic?«
    »Die sind nach oben gegangen, als Sie reinkamen.« Und dann, als hätte er es sich doch anders überlegt, wies er mit ausgestrecktem Arm in eine dunkle Ecke des Gartens.
    Drei Uniformierte liefen los.
    Es war so still geworden, daß Laurenti ohne Megaphon sprechen konnte.
    »Und wo ist Tremani?« fragte er.
    Niemand antwortete.
    »Vincenzo Tremani aus Lecce. Und Pasquale Esposito? Hat sie jemand gesehen?«
    Es blieb still.
    »Na gut, wir werden sie finden. Halten Sie bitte alle Ihre Papiere bereit«, sagte Laurenti. »Je weniger Schwierigkeiten Sie machen, desto schneller sind wir hier fertig. Die Herren dürfen sich jetzt die Hosen anziehen.«
    Es würde eine lange Nacht werden. Das verlassene Buffet sah auf einmal trostlos aus. Die fünf livrierten Kellner und der Küchenchef hatten sich als eigene Gruppe aufgestellt. Sie fühlten sich sicher und unbeteiligt. Keiner hätte gedacht, daß es noch so spannend werden würde.
    Einer der drei Polizisten, die nach Spartaco de Kopfersberg und Viktor Drakic suchten, kam zurück und sprach leise mit Laurenti.
    »Porcaputtana!« Laurenti griff zum Funkgerät, als er die Stimme des Questore hörte.
    »Was ist los, Laurenti?«
    Aber er antwortete nicht, sondern fluchte statt dessen vor sich hin. Außerdem hatte er schon zum zweiten Mal in wenigen Tagen wieder Lust auf eine Zigarette.
    Keiner hatte je daran gedacht, die andere Seite des Grundstücks unter die Lupe zu nehmen. Man war der Ansicht gewesen, daß es nur eine Einfahrt gab, keinen zweiten Ausgang, und die hohe Mauer das Grundstück komplett umschloß. Als sie am Nachmittag über den Lageplänen brüteten, hatten sie nichts anderes verzeichnet gefunden. Niemand war auf die Idee gekommen, sich persönlich vor Ort davon zu überzeugen. Es wäre die Sache des Einsatzleiters der Polizia Statale gewesen. Aber der war aus guten Gründen nicht eingeweiht, sondern saß beim Questore im Trockenen.
    »Was ist los, Laurenti?«
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