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Heinichen, Veit - Proteo Laurenti 01 - Gib jedem seinen eigenen Tod

Titel: Heinichen, Veit - Proteo Laurenti 01 - Gib jedem seinen eigenen Tod
Autoren: Veit Heinichen
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einen Blick zu Drakic hinüber und grinste. Drakic blieb ernst.
    »Das wäre geschafft«, brüllte Kopfersberg stolz durch den Motorenlärm. »Gegen dieses Schiff kommt keiner an.«
    »Paß auf, Spartaco«, schrie Drakic zurück. »Man sieht rein gar nichts. Hast du keinen Scheinwerfer?«
    »Willst du, daß sie uns sehen? Wir haben freie Fahrt!«
    Backbord strahlten die Lichter von Muggia über die Bucht. Sie erkannten plötzlich die Kontur eines weiteren Frachters, der bisher von den anderen verdeckt geblieben war. Er war verdammt nah und die Brücke hell erleuchtet. Kopfersberg mußte den Kurs abrupt korrigieren und zog die Corbelli sehr scharf nach backbord.
    Es war bereits zu spät, als sie plötzlich den dunklen Schatten der Diga Luigi Rizzo, dem vorgelagerten Deich, der die Bucht von Muggia und den Porto Nuovo von Triest vor Stürmen schützte, erkannten, wie er sich dunkel über das schwarze Wasser hob. Als Spartaco die Positionslichter sah, riß er das Steuer wieder herum, nach steuerbord, und gleich wieder zurück. Aber das Tempo war zu hoch, sie schossen unweigerlich auf den Deich zu. Drakic klammerte sich an einem der Haltegriffe fest, die Knöchel traten weiß aus dem Handrücken. Doch der Schlag einer Welle riß ihn aus dem Boot.
    Es war ein kurzer dumpfer Knall. Ein greller Lichtblitz folgte, und aus der Sicht der näher kommenden Polizeiboote schien es, als brannten die schwarzen Steine des Deichs. An einer Stelle brannten sie etwas heller.

Triest, 23. Juli 1999
    Questura – 8 Uhr
    »Wer hat dieses Foto zu verantworten?« Der Questore hatte wortlos gewartet, bis die vier Vorgesetzten der Ordnungskräfte versammelt waren, und begann ohne Begrüßung. Er warf den »Piccolo« wütend auf den Tisch.
    Diese Konferenz hatten sie noch in der Nacht angesetzt. Viel Schlaf war Proteo Laurenti nicht geblieben. Auch die Kollegen sahen müde aus. Die Vernehmungen hatten sie um drei Uhr abgebrochen. An diesem Morgen sollten die Ergebnisse zusammengetragen werden, bevor die Verhöre fortgesetzt wurden.
    »Wer von euch hat die Presse informiert?« Der Questore tobte und hatte einen zornesroten Kopf. Selbst seine Hände zitterten. »Es war absolute Geheimhaltung vereinbart! Also?«
    Schweigen am Tisch. Abgewandte Blicke. Nur Laurenti schaute ihn seelenruhig an. Er verspürte wenig Lust, sich nach allem wie einen Schuljungen behandeln zu lassen. Er hatte sich die Zeitung schon vor sieben Uhr am Kiosk geholt, sie noch auf der Straße aufgeschlagen und war so fröhlich pfeifend nach Hause zurückgekehrt, daß Laura ihn irritiert ansah und mahnte, leiser zu sein, weil die Kinder noch schliefen. Laurenti hatte nur mit seinem schelmischen Grinsen geantwortet und blieb ungebrochen fröhlich. Er legte ihr die Zeitung auf den Tisch, küßte sie flüchtig und ging ins Büro.
    Es war das letzte Werk Decantros in Triest und im »Piccolo«. »Korruption in großem Stil«, lautete die Titelzeile auf Seite 1. »Während der Durchsuchung einer Villa voller ausländischer Huren geriet auch die städtische Prominenz unter Verdacht.« Und ein großartiges Foto schmückte den Artikel: wie Cardotta in der knappen weißen Unterhose, die ihm nicht gehörte, vor Laurenti und den Uniformierten stand. Laurenti hatte sich auf die Schenkel geklopft. Der Artikel war weniger polemisch, als man es von Decantro kannte, schilderte klar und sachlich die Razzia und die Verdachtsmomente. Das gab ihm eine zusätzliche Schärfe. Ganz sicher hatte ihn Rossana Di Matteo redigiert, bevor er in Druck ging. Bei einer solchen Story mußte man sie schließlich in jedem Fall konsultieren. Nur der Schlußsatz war eindeutig von Decantro. »Ob damit der Prostitution in Triest ein Ende gesetzt wurde, muß bezweifelt werden – zumindest aber war dies ein herber Schlag!«
    »Ich finde den Artikel gar nicht so schlecht«, sagte Laurenti heiter in das versammelte Schweigen hinein. »Auch wenn er von Decantro kommt.«
    Der Questore polterte los, noch bevor Laurenti den Mund schließen konnte. »Sind Sie wahnsinnig? Eine Katastrophe ist das, Laurenti! Ich weiß zwar, daß diese Informationen unmöglich von Ihnen gekommen sind, nach Ihrem Krach mit Decantro. Aber was glauben Sie wohl, was das bewirkt? Das wird ein Hurrikan in der Stadt und ein Tornado außerhalb. Denken Sie nur an die Türkei-Hilfe! Jetzt schon wieder! Die Kosovo-Geschichte hatte man gerade vergessen.«
    »Das habe ich doch gleich gesagt«, mischte sich der Carabinieri-Colonello ein. Er reckte sein Kinn
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