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Heimspiel

Heimspiel

Titel: Heimspiel
Autoren: Wolfram Weimer
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ein Ferienhaus in der Uckermark haben?«
    »Das liegt immerhin in Deutschland!«
    »In Ostdeutschland, meinen Sie, gefühlt in Sibirien.« Sagt’s und zieht sich auch den zweiten Stiefel aus. Im Teich zappelt es.
    »Und wie erklären wir das den Medien?«
    »Ich bin eben Europäer!«, posaunt er ins Gras und lacht dabei.
    Seine offensive Selbstgefälligkeit ist entwaffnend. Damit kann er sogar durchkommen, denkt sie, ihr Vorgänger hat auf die Art immerhin eine ganze Kanzlerkarriere bestritten.
    »Eine Meinungsverschiedenheit haben wir aber doch: Sie sind gegen geschlechtergemischte Fußballmannschaften, wie ich höre.«
    »Aber freilich bin ich dagegen. Sie können das doch selber nicht ernst meinen, oder?«
    »Ich meine immer das ernst, was Mehrheiten bewegt.«
    »Das will aber die Mehrheit doch nie und nimmer!«
    »Die eigentliche Mehrheit vielleicht noch nicht, die mediale Mehrheit aber schon. Die trauen sich nicht, gegen das Gendern etwas vorzubringen.«
    »Darf ich dann wenigstens bei meiner Minderheitenmeinung bleiben?«
    »Aber ja, wir sollten sowieso mit verschiedenen Rollen spielen. Ich bin die Modernisiererin, Sie der Traditionalist. So können wir ein gutes Tandem bilden. Mich wählen Frauen leichter. Aber mit Ihnen an der Seite können mich auch Männer wieder wählen. Lassen Sie also den Macho in Ihnen ruhig raus.«
    Während er seine Füße zur Abkühlung inzwischen tief im Teich versenkt hat, nimmt sie auf einem Stein unter einem schattigen Nussbaum Platz. Sie beobachtet, wie die Fotografen aus der Distanz ihre Teleobjektive aufgepflanzt haben und einige von Bäumen, andere von einem Scheunendach herüberknipsen. Sie findet die Szene idyllisch und denkt, dass die Bilder bestimmt, von der Landlust bis hin zum Stern, gut gedruckt werden.
    Während des Gesprächs hat sich eine Kuh langsam und mit dem gleichmäßigen Läuten ihrer Halsglocke genähert. Tumb glotzt sie herüber, und als die Kanzlerin dem Tier in die Augen schauen will, entdeckt sie auf den Hörnern einen Gegenstand, der dort mit Klebeband befestigt ist. Sie steht auf, geht der Kuh entgegen, die unbeeindruckt gleichmütig weitergrast. Aus der Nähe erkennt die Kanzlerin eine Webcam mitsamt Mini-Mikrofon, die der Kuh irgendein Reporter angeklatscht hat, um die beiden zu belauschen. Sie lacht laut auf und ruft Beckenbauer laut und besonders deutlich hörbar zu:
    »Sie werden ein großer Bundespräsident!«
    Beckenbauer wundert sich kein bisschen.
    »Das ist unsere Chance! Der Kaiser ist demaskiert: ein Frauenverächter. So einer kann nicht Bundespräsident werden«, schnaubt die Generalsekretärin der Sozialdemokraten ihren Vorsitzenden an. Der betrachtet sie mit einer Verachtung, die normalerweise nur niedersächsische Dorfrocker für Ministrantinnen hegen.
    »Sie wollen ja wohl nicht wirklich dieses Quotengedöns im Fußball politisieren? Da lachen doch alle Männer!«
    Es entsteht eine heikle Pause, in der die Generalsekretärin sich innerlich ganz langsam den Satz vormurmelt:
    »Du bist eben doch ein Lothar Matthäus der deutschen Politik«, zugleich aber laut sagen kann: »Die Quote ist mir egal. Ich will nur Beckenbauer verhindern, wir brauchen eine Negativkampagne gegen den Frauenfeind aus Bayern. Er hat mit seinem Schmarrn einen Fehler gemacht, den wir nutzen können.«
    »Der ist doch ein totaler Frauenfreund!«
    »Ich sage Ihnen, ein paar schmutzige Privatgeschichten über RTL verbreitet, dann Tagesthemen -Kommentare von ein paar entsetzten WDR- und NDR-Frauen hinterher, und schon sticht die Gender-Karte.«
    »So, glauben Sie wirklich?«
    »Natürlich. Und dann präsentieren wir mit großer Geste der besseren Menschen eine gefühlvolle Frau als Gegenkandidatin.«
    »Und wer soll da freiwillig verlieren wollen?«
    Er erhebt sich mit gespielter Langsamkeit von seinem Kunstledersessel, der immer noch nach Recklinghausen riecht, geht ihr entgegen und – weil sie ihn nie richtig ernst genommen hat – provoziert:
    »Sie vielleicht?«
    »Nein, ich dachte an die Freifrau von, ähm … Dingenskirchen, also die Öko-Oma von den Grünen.«
    »Damit wir die Grünen wieder aus der Umarmung der Kanzlerin lösen – das allerdings ist nun wirklich nicht schlecht!«
    Sagt’s und schaut aus dem Fenster, als sei er doch ein Mann, der nachdenken kann.
    »Aber ist die nicht dreimal geschieden und hat bei einer Castor-Demonstration einer jungen Polizistin einen Eimer Gülle ins Gesicht geschüttet?«
    »Genau die. Aber sie hat einen Bestseller über
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