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Heimspiel

Heimspiel

Titel: Heimspiel
Autoren: Wolfram Weimer
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Mäuerchen und in Vorgärten und halten drauf. Die beiden marschieren in professioneller Selbstverständlichkeit von einem Fotoshooting zum nächsten – erst am Friseur, dann an der Bäckerei, dann am Schuh- und Blumenladen vorbei dem goldenen Südhang entgegen, wo die Sonne prächtigt und der Aufstieg zur Neureuth beginnt. In Tuchfühlung der Fotografen tauschen sie nur Belangloses über die Anreise und die Schönheit des Tegernsees im Speziellen und Bayerns im Allgemeinen aus. Am Bahnhof wird es schlagartig steil. Die Fotografen werden vom Protokoll gebeten, Abstand zu halten, doch schon nach wenigen Metern schnaufen beide und kämpfen dagegen an, dass ein entsprechendes Foto auch aus der Distanz entstehen könnte. Aus diesem Grund pausiert sie, lehnt sich für einen Moment an einen hölzernen Handlauf, atmet zweimal tief durch und fragt dann lächelnd hechelnd:
    »Warum wollen Sie eigentlich Bundespräsident werden?«
    Die Direktheit der Frage verblüfft ihn einigermaßen, und so antwortet er unüberlegt:
    »Weil das bestimmt Spaß macht.« Sofort ist ihm die Naivität der Antwort bewusst, doch indem er dazu steht, adelt er die Naivität zur Lebensweisheit und ergänzt lachend: »Ihnen macht der Job doch auch Spaß, oder?«
    Das entwaffnet sie nun wieder dermaßen, dass sie ein »Schon, schon« vor sich hin murmelt und Richtung Luxushotel weitergeht, das doch tatsächlich damit wirbt, »die Freude am intensiv gelebten Leben« zu bieten, wie die mitgereiste Fotografin der Emma für ihre Reportage »Kanzlerin und Kaiserschmarrn« minutiös recherchiert. Ein Cabrio mit Münchner Kennzeichen und zwei gegelten jungen Männern fährt vorbei, eine Fotografin des Goldenen Blatts auf der Rückbank, die Fotos mit wilden Bewegungsunschärfen macht, weil sie hofft, diese vielleicht beim Süddeutsche Zeitung Magazin als künstlerisch wertvoll verkaufen zu können.
    »Aber Spaß alleine trägt einen nicht weit. Ich bin nach der preußischen Losung erzogen worden: Erst die Arbeit, dann das Vergnügen.«
    »Das sehe ich anders. Ich habe zeitlebens genau das gemacht, was mir Spaß gemacht hat, und ich hatte großen Erfolg damit.«
    Wieder gehen sie ein paar Schritte, doch der Aufstieg wird immer steiler. Der Fotografenpulk hat sich deutlich verkleinert, einige haben sich Gefährte gesucht, um über Forstwege direkt auf die Alm vorzufahren. Andere sind ins Tal zurückgekehrt, wieder andere steigen den beiden hinterher.
    Sie verlassen die Straße und biegen auf einen Wanderpfad unter Bäumen. Der ist freilich noch steiler, sodass sie wenig später nach dem Passieren eines Wasserhäuschens beide einfach nicht mehr können. So recht will keiner es dem anderen gegenüber eingestehen, und doch spürt der eine es beim anderen und umgekehrt. In der Nähe entdecken sie eine verlassene Almhütte aus grobem Holz, mit ausladendem Hirschgeweih über der Haustür, dahinter ein kleiner Teich.
    »Lassen Sie uns da pausieren«, hechelt sie silbenweise heraus.
    »Gute Idee«, gibt er zurück, und beide schleppen sich an den kleinen Tümpel. Sie betreten das Grundstück, die Fotografen bleiben zu beider Verblüffung draußen stehen.
    Es ist heiß, und sie spüren das Pulsieren der Adern bis in die Stirn. Beckenbauer setzt sich an den Teichrand, zieht seine Stiefel aus und will seine Füße erfrischen.
    »Das gibt besonders private Fotos«, witzelt er.
    Die kleine Anhöhe bietet einen gewaltigen Blick auf den See, den Ort, das Bräustüberl -Kloster-Schloss, das weite Tal und das Alpenpanorama bis hinüber an die österreichische Grenze. Sie verschnaufen schweigend zwei, drei Minuten, bis sie plötzlich ansetzt:
    »Sagen Sie mal, haben Sie Ihr Haus in Salzburg eigentlich selber bezahlt – oder auf Kredit gekauft?«
    »Wie bitte? Machen Sie Scherze? Natürlich habe ich das selber bezahlt!«
    »Das ist gut. Sehr gut.«
    Wieder entstehen zwei Minuten Almschweigen. Beckenbauer lauscht den Kuhglocken von der Nachbarwiese, dem Tuten eines Dampfers, das vom See heraufschallt, und dann hört er ihre Stimme wieder:
    »Nicht so gut aber ist, dass Ihr Haus in Österreich liegt.«
    »Was ist denn daran schlecht?«
    »Na, wenn Sie Bundespräsident in Deutschland werden wollen, glauben Sie nicht, dass es Ihnen die Menschen verübeln, dass Sie in Österreich leben und dort Steuern zahlen?«
    »Der Herrgott liebt jedes Haus!«, meint er, plätschert mit dem Fuß im Wasser herum und fragt nach einer Weile:
    »Glauben Sie, die Deutschen verübeln es Ihnen, dass Sie
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