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Heimspiel

Heimspiel

Titel: Heimspiel
Autoren: Wolfram Weimer
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Ich-Findung geschrieben und ist inzwischen in der Synode der evangelischen Kirche.«
    »Immerhin nimmt sie kein Geld von der Solar-, Klimaschutz- und Windkraftlobby wie die anderen Grünen.«
    »Apropos, was macht eigentlich Ihr Beratungsmandat bei Volkswagen?«, blafft die Generalsekretärin zurück.
    »Mein was?«
    »Na, die Bild -Zeitung hat eine Anfrage gestellt, ob Ihre kleine Privatfirma mit Sitz in Magdeburg immer noch Beratungsgelder von VW bekommt. Müssen wir uns dazu irgendwie stellen?«
    »Wir müssen gar nichts. Die Geschichte ist uralt. Ich kümmere mich selber drum. Schaffen Sie uns erst mal die Gülle-Oma herbei, damit wir die einnorden.«
    »Und was ist mit der Linkspartei?«
    »Was soll mit denen sein? Die stellen wieder eine Stasifigur auf und wundern sich, dass sie nur noch als Vertriebenenverband der SED-Platte gelten.«
    »Vielleicht könnten wir sie dazu bewegen, die Gülle-Oma mitzuwählen. Wenn wir im Gegenzug die Stasi-Überprüfung ihrer Abgeordneten abwenden …«
    »Das wär’s mir wert. Die Stasi ist eh Geschichte.«
    Der Regierungssprecher der Kanzlerin erlebt den Adrenalin-Exzess seines Berufslebens, denn zu der Freude über den gelungenen Coup mit dem Gender-Fußball mischt sich die Angst vor der Sat.1-Enthüllung. Die gesamte Entourage der Kanzlerin eilt in aufgekratzter Stimmung nach Berlin.
    Am Abend nach dem Spiel und nach dem Nachrichtencoup trifft sich der engste Machtzirkel im Kanzleramt, der Fernseher wird für die Sat.1-Abendnachrichten eingeschaltet. Auf dem Tisch stehen Gläser mit Salzstangen, und selbst die Kanzlerin verrät ihre Nervosität, indem sie diese gleich doppelt in den Mund schiebt.
    »Liebe Freunde«, hebt sie plötzlich an, »das war heute ein großer Tag meiner Kanzlerschaft, und es könnte doch der Anfang vom Ende sein. Wenn Sat.1 mich gleich schlachtet, dann möchte ich euch doch noch einmal sagen, wie sehr ich euch danke für die Jahre der persönlichen Loyalität.«
    Das einerseits Steife, andererseits Gefühlige dieser Sätze passt so gar nicht ins Bild, das die Runde von ihrer Eisernen hat. Allen wird klar, wie sehr sie sich fürchtet vor der Enthüllung und der denkbaren öffentlichen Blamage. Es kehrt Stille ein; nur der Trailer der Sat.1-Nachrichten erschallt im Raum.
    Der Moderator setzt mit einem süffisant-ernsten Mundspiel zum ersten Satz an:
    »Guten Abend, meine Damen und Herren. Die Bundeskanzlerin hat heute Fußballgeschichte geschrieben. Aus Anlass des WM-Halbfinales, das Deutschland mit 4:0 gewonnen hat, präsentierte sie zusammen mit der amerikanischen Außenministerin einen überraschenden Vorschlag.«
    »Ja, ja! Unsere Nachricht verdrängt ihre. Sie fressen unser Futter!«
    »Still, seien Sie doch still, bitte.«
    »… das wird in der Fußballwelt von Rio bis Radebeul für viel Gesprächsstoff sorgen.«
    »Haha, die kommen ja gar nicht zur Frankfurt-Nummer …«
    »Ruhe bitte, Herr Kollege.« Die Kanzlerin schnappt sich noch ein Salzstangendoppel.
    »… dass unsere Kanzlerin und der Fußball ein Überraschungspaar sind, das können auch unsere Sat.1-Reporter aus Frankfurt berichten. Denn dort gab es – nach exklusiven Sat.1-Recherchen – einen Geheimbesuch der Kanzlerin im Fußballstadion der Eintracht.«
    Es folgt ein mit lustigen Texten unterlegter Einspieler mit einem unscharfen Video von Frankfurter Ultras, auf denen man nichts erkennt, schon gar nicht die Kanzlerin. Der Moderator bindet den Bericht mit dem Hinweis ab, Joschka Fischer, der einstige Straßenkämpfer, sei auch im Stadion gewesen, nur eben in der VIP-Lounge. Nach der Meldung folgt ein Bericht über asthmakranke Hamster in Wanne-Eickel. Die Sache versendet sich.
    »Unglaublich! Die verlustieren das.«
    »Ja, Sat.1 ist so unpolitisch wie eine Plastikschüssel.«
    »Politisch wird da nix draus. Sie haben das Video verschossen. Wir sind raus!«
    Die Kanzlerin hat noch Salzstangenteig im Mund und kann ihr Glück kaum fassen. Erleichtert sackt sie im Sessel ein.
    Als es am nächsten Tag neben 237 Anfragen zur Frauenquote im Fußball auch zwei zum Sat.1-Bericht über den angeblichen Frankfurt-Besuch der Kanzlerin gibt, gönnt sich der Regierungssprecher eine verspielte Antwort:
    »Sie ist ein großer Fußballfan. Aber alles, was man dazu denkt, ist nur halb richtig. Denn die Kanzlerin entpuppt sich für alle, die sie näher kennen, als große Versteckerin. Sie zu unterschätzen heißt, sie nicht zu kennen. Sie ist alternativlos.«
    Was er noch nicht weiß: Am Nachmittag
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