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Heimkehr in Die Rothschildallee

Heimkehr in Die Rothschildallee

Titel: Heimkehr in Die Rothschildallee
Autoren: Stefanie Zweig
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wirklich.«
    »Wenn er nicht heute bewiesen hat, dass er uns persönlich kennt, wann dann?«
    Der Weg war beschwerlich, das Paket aus Kapstadt steinschwer, die unruhige Nacht, die Anspannung auf dem Zollamt und nun der Herzjubel zehrten an den Kräften. Wann immer sie eine Bank fanden, die noch eine Sitzfläche bot, machten sie Pause; auf der oberen Zeil entdeckte Fritz ein angekohltes Brett, das ein findiger Menschenfreund über große, gleich hohe Steine aus einem Trümmerhaus gelegt hatte.
    »Mich wundert’s, dass ich überhaupt noch imstande bin, mich auf dieser Prachtbank niederzulassen«, freute sich Betsy. » Die meisten Frauen in meinem Alter können sich weder bücken noch nach oben strecken und haben geschwollene Füße.«
    »Mich wundert gar nichts an dir«, sagte Fritz.
    »Ich wundere mich jeden Tag, dass ich noch lebe. Und wenn ich einen schlechten Tag habe, schüttle ich den Kopf und frage den lieben Gott: Musste das sein? «
    »Es musste. Frag Fanny, und frag ihren Vater. Und Anna erzählt mir immer wieder, was es für sie und Hans bedeutet, dass du zurückgekommen bist.«
    Die Trambahn, nach der sie Ausschau hielten, kam kein einziges Mal. Stattdessen rasten Taxis im hohen Tempo und laut hupend an ihnen vorbei. Wider besseres Wissen winkte Fritz ihnen zu. Er deutete auf Betsy und gab sich Mühe, auch selbst wie ein Mann auszusehen, der am Ende seiner Kräfte war, doch keiner der Wagen hielt an. Es waren Taxis, die nur für Amerikaner fuhren, die viel beneideten Fahrer wurden hauptsächlich mit Benzin, Zigaretten, Kaffee oder Nylons entlohnt.
    »Und wir armen Deutschen, die doch immer nur getan haben, was uns befohlen wurde, laufen unsere Schuhsohlen ab und holen uns Blasen«, fluchte Fritz. »Wenn das der Führer wüsste!«
    »Lass bloß die Kinder so was nicht hören. Die sind zu klein für solche Scherze. Die plappern jeden Quatsch nach. Auf der Straße oder beim Kaufmann.«
    »Fanny nicht. Mit der kann man reden wie mit einem Menschen. Sie hat Humor und Sinn für Ironie. Grips hat sie auch. Bestimmt nicht von mir.«
    »Fanny habe ich auch nicht gemeint. Mir ihr konnte man immer reden. Sie war schon mit zehn Jahren erwachsen. Sonst hätte sie das alles auch nicht durchgestanden. Anna sagt, sie hat in all der Zeit keine einzige Frage gestellt und immer sofort gewusst, worum es ging. Wobei mir einfällt, du wolltest mir doch noch was erzählen. Warum nicht jetzt? Wir sitzen hier so gut. So sicher wie in Abrahams Schoß. Und so allein wie hier sind wir in unserem Taubenschlag nie.«
    »Trotzdem finde ich, wir sollten lieber sehen, dass wir so schnell wie möglich nach Hause kommen und das Paket aufmachen. Ich bin sicher, Alice hat einen Brief beigelegt, und ich kann mir gut vorstellen, was in dir vorgeht. Das Einzige, was wir bisher von ihr wissen: Sie kann Knoten wie ein Seemann knüpfen und ist noch mit demselben Mann verheiratet. Leon Zuckerman. Mit einem N. Was aber der alte Fritz dir zu erzählen hat, duldet durchaus Aufschub. Wenn ich’s mir genau überlege, mindestens bis morgen. Wir sollten das Schicksal nicht herausfordern, Betsy. Du weiß ja: Zu viel Glück ist Unglück.«
    »Wer hat das gesagt?«
    »Mein Klassenlehrer in der Quarta. Dr. Braubach mit dem Schmerbauch und der latenten Anlage zum Antisemiten. Ich hatte das beste Zeugnis in der Klasse und habe ihn gefragt, weshalb ich in Aufmerksamkeit nur ein Befriedigend hätte.«
    Zu Hause angekommen, öffneten sie das Wunder aus Südafrika. Alice hatte Orangenmarmelade in Dosen, Kaffee und Tee in Kilopackungen und Sardinenbüchsen geschickt, die in Goldpapier gewickelt waren, Käse in Porzellangefäßen, Olivenöl in einer Blechkanne, frische Zitronen, die beim Auspacken so stark dufteten, als wären sie noch am Baum und unter Afrikas Sonne, getrocknete Bananen in Streifen und drei Päckchen getrocknetes Rindfleisch mit der Aufschrift »Biltong«.
    »Es sieht aus«, staunte Fritz, »als hätten es die Kinder Israels mit auf die Wanderung ins gelobte Land genommen. Vielleicht haben sie deswegen nach den Fleischtöpfen Ägyptens gejammert.«
    Jedes Stück war sorgfältig und liebevoll eingewickelt – der Kaffee in einem grünen Küchenhandtuch mit dem Bild eines Löwen und die drei Dosen Ananas in regenbogenbunte Kopftücher. Die Päckchen mit Puddingpulver steckten einzeln in hellblauen Couverts und die Kekse in dicken Gläsern, um die Armbänder aus winzigen Glasperlen gewickelt waren. Auf jedes der drei großen Kakaopäckchen war ein
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