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Heidenreich, Elke- Nero Corleone kehrt zurueck

Heidenreich, Elke- Nero Corleone kehrt zurueck

Titel: Heidenreich, Elke- Nero Corleone kehrt zurueck
Autoren: Unbekannt
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Ehrlichkeit, Aufrichtigkeit.
    Und Isolde musste weinen, einfach
nur so. Weinen. Wegen nichts. Nicht wegen Robert, nicht wegen des Alters, nicht
wegen Nero. Nicht aus Kummer, Angst oder Heimweh. Es waren Tränen, die von ganz
tief innen kamen, Lebenstränen vielleicht, die ungeweinten Tränen vieler Tage und
Nächte, alles, was sich als Eis in ihr angesammelt hatte, schmolz jetzt und kam
in dicken Tropfen zu den Augen heraus, und es tat gut, diesen Fluss der unstillbaren
Sehnsucht einfach so fließen zu lassen.
    Sie saß da, sah über den See, Cocciante
sang, der Kaffee schmeckte gut, ihr Haus war schön und wurde schon etwas wärmer,
das Leben ging einen neuen Weg mit ihr, und sie weinte, lange und glücklich und
dann nur noch wenig und dann nicht mehr, und dann ging sie einfach ins Bett, zwischen
die kalten Laken und Decken, mitten in dem ganzen Durcheinander, und sie schlief
sage und schreibe zwölf Stunden am Stück.
    Das war der erste Tag.
     
    A m nächsten Morgen schien eine kalte
Sonne, und Isolde zündete das Holz im Kamin an. Es knisterte und roch gut, sie aß
zum Frühstück von dem Graubrot und der Rügenwalder Teewurst, die sie noch aus Deutschland
mitgebracht hatte, das würde es hier jetzt lange nicht mehr, eigentlich gar nicht
mehr geben, sondern wieder Weißbrot, morgens noch knusprig, mittags schon weich,
und fette Mortadella oder Salami. Es war ihr recht. Man musste nicht in Ägypten
deutsches Sauerkraut und in Spanien Leberkäse essen. Sie war in Italien, es würde
Pasta und Pizza geben, Espresso und weißes Brot und blassen Taleggio-Käse. Alles
gut so, und bitte jetzt auch keine Rheinweine mehr, sondern Brunello, Barbera und
Barolo.
    Es gab viel zu tun nach dem Frühstück.
Erst Kisten auspacken oder erst putzen? Erst den Garten besichtigen oder erst
die Gläser einräumen?
    Ach, es war ganz egal, sie hatte
Zeit, und sie hatte auf alles die gleiche unbändige Lust und Freude. Die gestrigen
Tränen hatten viel weggeschwemmt, der Tag lag klar vor ihr, das neue Leben sollte
nur kommen, sie war bereit.
    Das Telefon klingelte. Es war Danilo,
der Elektriker.
    »Isoldina«, rief er, »sei venuta!«,
du bist gekommen, ich habe den Wagen gesehen, wie schön, jetzt bleibst du endlich
mal da, du bleibst doch, oder?
    Ja, sie wollte bleiben, und ob
er nicht mal kommen könnte und nach den Kabeln, den Anschlüssen, der Heizung sehen?
Natürlich konnte er das, gleich heute Abend, und er würde Clara mitbringen, seine
Verlobte, und Romeo, seinen Hund, und Isolde freute sich auf alle drei und fragte,
weil sie das immer tat: »Nero ist nicht aufgetaucht, oder?«
    »Nerone!«, rief Danilo, »la canaglia,
questo cri-minale, questo mafioso brutto«, doch, man habe ihn angeblich immer mal
wieder im Dorf gesehen, wo er Katzen geschwängert habe, Hühnerbeine gestohlen,
Mülltüten ausgepackt, aber niemand habe ihn anfassen oder gar fangen können. Er
sei irgendwo, aber nun schon seit Monaten nicht mehr aufgetaucht.
    Für Isolde war das genug. Er hatte
überlebt, ihr Prinz, er hatte sich seine Art bewahrt, zu nehmen, was ihm seiner
Meinung nach zustand, er war durchgekommen, und er würde auch weiterhin durchkommen.
Nero.
    Sie dachte daran, dass ihr bestimmt
wieder eine Katze zulaufen würde, hier auf dem Land. Sie würde sie behalten, es
war nicht nur schön, mit einer Katze zu leben, es war dringend notwendig. Ein Leben
ohne Katzen, dachte sie, ist doch ziemlich sinnlos.
    Sie räumte die Kisten leer, es
machte Spaß, die Bücher einzuordnen, sie las manchmal ein wenig, las sich fest in
einem Buch, das hieß: »Die Katze des Dichters«, in dem eine Katze sehr missgestimmt
über ihren Herrn, eben einen Dichter, auspackte:
    »Wenn er doch nicht so viel rauchen
würde. Mir tränen schon die Augen. Und dauernd geht er auf und ab. Kann er nicht
still sitzen? Ich liege auf dem Schreibtisch, direkt an der Heizung. Der Computer
brummt leise. Die Schreibmaschine war schlimmer, die machte so einen Krach, dass
ich es auf dem Schreibtisch nicht ausgehalten habe. Aber dafür gab es eine Menge
Papier, warme Papierberge, auf denen man liegen konnte, zerknülltes Papier auf dem
Boden, in dem man rascheln konnte. Das ist vorbei. Computer. Manchmal laufe ich
über die Tasten und mache schöne Bilder, dann schreit er und jagt mich weg. Er ist
ja so nervös.«
    Isolde musste lachen, setzte sich
in den Sessel und hatte Lust, mitten im Auspackchaos einfach weiterzulesen. Das
Buch hatte eine deutsche Schriftstellerin geschrieben, die als
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