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Heidenreich, Elke- Nero Corleone kehrt zurueck

Heidenreich, Elke- Nero Corleone kehrt zurueck

Titel: Heidenreich, Elke- Nero Corleone kehrt zurueck
Autoren: Unbekannt
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Katzenfreundin bekannt
war, und es hätte auch wirklich Nero sein können, der hier über Robert lästerte:
    »Er schreibt Tiergeschichten. Sie
schreiben alle Tiergeschichten. Sie erleben ja sonst nichts. Sie gucken unsereinen
an, denken, sie verstehen uns, und schreiben darüber. Pah. Er hat keine Ahnung.
Er weiß nicht, dass ich ihn für einen mickrigen Burschen halte. Wenn er nachts
schläft, gehe ich über die Dächer, schaue in die Fenster und sehe, was anderswo
alles so los ist. Bei ihm — nichts. Computer, Dosenfutter, schlafen. Das ist alles.«
    Isolde holte sich ein Glas Wein
und las die Schimpfkanonade des Katers über den Dichter zu Ende, nicht mal eine
Freundin habe der Hungerleider, aber na gut, Frauen parfümierten sich auch immer
so, das könne er ohnehin nicht leiden, aber diese Raucherei, wenn das so weiterginge,
wolle er einfach eines Tages weggehen und sich eine nette alte Oma suchen, und
dann könne der Dichter ja Zettel an alle Bäume nageln: »Kater entlaufen, schwarz,
hört auf Moritz.«
    »Ich werde ihn dann«, hieß es in
der Geschichte weiter, »vom Fenster der alten Dame aus bei der Suche beobachten
und mich nicht mucksen. Er wird herumrennen und nach mir rufen, und ich werde denken:
Schrei du nur, ich bin jetzt hier und pfeif auf dich.«
    Aus. Isolde klappte das Buch zu.
Was für eine böse Geschichte! Dachten sie wirklich so, die Katzen, die bei den Menschen
wohnten? Hatte Nero so gedacht? War er damals weggeblieben wegen Roberts Zigarren,
wegen ihres Parfüms, wegen Dosenfutter? Hatte er sie rufen und suchen gehört und
sich absichtlich nicht gemeldet, als sie so bitterlich weinend zurück nach Deutschland
fuhren, ohne ihn?
    Nein, Unsinn, er hatte sie beide
geliebt, er wollte wieder zurück in seine Heimat, er war ein wilder Stromer, er
wollte vielleicht wieder frei sein ...
    Ach, dass sie aber auch gerade
jetzt diese Geschichte lesen musste, schon krochen wieder trübe Gedanken in ihr
hoch, nicht mal der gute Rotwein half dagegen.
    Energisch legte Isolde das Buch
weg und machte sich wieder ans Auspacken und Einräumen.
    Der kleine alte Schreibtisch wurde
bestückt mit Lampe, Füller, Papier, einem Stapel unbeantworteter Briefe, hier würde
sie genug Zeit dafür haben. Das Radio lief, ein Countertenor sang die herrliche
Arie aus Händels Xerxes über den Baum, dessen Schatten so unendlich schön war, nie
wieder würde ein Schatten so voller Trost und Schutz sein, ombra mai fu.
    Nie wieder würde vieles so sein
wie früher. Aber im Nie wieder steckte auch immer etwas Neues, es gab ja nicht den
luftleeren Baum, das ereignislose Leben. Solange ich lebe, dachte Isolde, kommt
etwas Neues, ein neuer Baum, ein anderer Schatten, andere Aufregungen, andere Buhe,
andere Lieben, andere Katzen. Nichts bleibt, das haben wir doch schon in der Schule
gelernt, alles fließt. Justus wird gleich anrufen und fragen: »Ist noch Liebe da?«
Das fragte er immer, immer als Erstes.
    Und natürlich rief Justus an, sie
sah seine Nummer auf dem Display, nahm ab und sagte: »Es ist noch Liebe da.«
    »Wie geht es dir?«, wollte er natürlich
wissen, und er hatte schon mal angerufen, in Sorge, aber sie erklärte ihm, wie
tief und traumlos sie geschlafen hatte. »Du fehlst mir«, sagte Justus, »jetzt schon.«
Und sie freute sich, denn es ist schön, wenn man jemandem fehlt, und sie dachte:
Es ist vielleicht doch besser, ein bisschen mehr, nur einen Hauch, nur ein winziges
Millimeterchen mehr geliebt zu werden, als selbst zu lieben, das Herz ist dann nicht
ganz so in Gefahr.
    Justus fragte nach dem Haus, nach
den Möbeln, ob alles gut angekommen sei, nach dem Wetter, und er erzählte, dass
es in Deutschland grau und trübe war, in Deutschland und in seinem Herzen, und sobald
er weg könne, würde er sie besuchen kommen, und bis dahin solle bitte noch Liebe
da sein.
     
    Isolde versprach es und sah aus
dem Fenster. Kleine Wolken lagen über dem See, der Oleander in ihrem Garten hielt
Winterschlaf und durch die Pinie tobte ein Eichhörnchen.
    Am Abend kamen Danilo, Clara, Romeo.
Danilo lang und dünn, Clara klein und dick, Romeo ein puscheliges Etwas von einem
Hund, beigefarben, quirlig, herumwuselnd, keine Sekunde still, mit einer roten
Schleife um den Hals. Sie saß mit Clara am Tisch, Wein trinkend, und Danilo stand
auf einer Leiter und befestigte den roten Glaslüster an der Decke, den beide als
molto bello! bellissimo! bestaunten. Man redete über alles, über das Dorf, über
Neuigkeiten, über die Familie, über
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