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Heidegger - Grundwissen Philosophie

Heidegger - Grundwissen Philosophie

Titel: Heidegger - Grundwissen Philosophie
Autoren: Udo Tietz
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Wirklichkeitsform gerade das Gelten ist«. Und so meint Heidegger nun behaupten zu können: »Aus der bestehenden Zweigliedrigkeit folgt analytisch, daß die Kopula ein
notwendiger dritter
Bestandteil des Urteils sein muß.« (GA 1, 178)
    Mit dieser Interpretation der Kopula als dritter Bestandteil des Urteils glaubt Heidegger die »Frage nach dem ›Sinn des Seins‹ im Urteil erledigt« zu haben. Die Schlußfolgerung, daß die Kopula als
vermittelnde Mitte
zwischen den Relaten die Vermittlung leistet, wäre jedoch nur zwingend, wenn man bereits akzeptiert, was erst noch zu zeigen wäre: daß das Urteil im Sinne der Gegenstandstheorie als eine Verbindung des Subjekts mit dem Prädikat gedacht werden muß. Wenn man jedoch das Urteil als »Relation« vorstellt und die Kopula als jenes »wesentlichste […] Element im Urteil« interpretiert, das eine »Relation vor den Gliedern« darstellt, dann wird nicht nur deutlich, daß der Wahrheitsanspruch fälschlicherweise als ein Geltungsanspruch verstanden werden muß, insofern die Kopula das logische »gilt« repräsentieren soll, sondern auch, daß Heideggers Antipsychologismus erkauft wird mit einer Idealisierung der Geltung und der Bedeutung, die sich zu den Urteilen wie Platons (427–347 v. Chr.) Ideen zu ihren irdischen Manifestationen verhält.
    Dies zeigt sich, wenn wir Heideggers Beispiel des prädikativen [15] Satzes betrachten. Das »Urteil: ›Der Einband ist gelb‹ hat den Sinn: Gelbsein des Einbandes gilt. Dieser Sinn läßt sich genauer so ausdrücken: Vom Einband gilt das Gelbsein.« (GA 1, 175) Doch was besagt eigentlich: »Vom Einband gilt das Gelbsein«? Klar ist, daß der Übergang von »Der Einband ist gelb« zu »Vom Einband gilt das Gelbsein« eine Veränderung des Ausdrucks mit sich bringt. Die Form des Ausdrucks hat sich in der Weise verändert, daß das Prädikat »ist gelb« durch eine Nominalisierung in den singulären Terminus »das Gelbsein« verwandelt wurde.
    Nun läßt sich aber nicht nur zeigen, daß die nominalisierte Form semantisch sekundär ist gegenüber der prädikativen Form, sondern auch, daß Heidegger dadurch, daß er die semantische Dimension überhaupt nicht wahrnimmt, die Bedeutung des Prädikates durch dessen Vergegenständlichung als einen
selbständigen Gegenstand
auffassen muß, auf den referierend Bezug genommen wird, so daß die Prädikation nach dem Modell der Referenz mißdeutet werden muß. Semantisch sekundär ist die nominalisierte Form deshalb, weil der nominalisierte Satz »daß p« nicht mehr, sondern weniger enthält als der ursprüngliche Satz »p«. Denn ihm wurde bei der Transformation in den singulären Terminus sein Behauptungsmoment entzogen. 2 Wenn man nur sagt: »daß es heute regnet«, gibt man im Unterschied zu »heute regnet es« noch nichts zu verstehen, schafft allerdings eine Leerstelle durch den Verzicht auf das Behauptungsmoment. Und die Bedeutung des Prädikats muß Heidegger deshalb als einen selbständigen Gegenstand auffassen, weil das Geltende, das ja gerade nicht mehr im Sinne von Existenz gedacht werden sollte, sich durch die Nominalisierung »das Gelbsein« selbst in ein Existierendes verwandelt 3 , so daß Heidegger analog zu Rickert, Lask und Husserl die Bedeutung des Aussagesatzes als einen zusammengesetzten Gegenstand auffassen muß. Zwar sagt Heidegger selbst: »Aus dem Eigenschaftswort ›blau‹ ergibt sich durch
Nominalisierung
›das Blaue‹ und so in jedem Fall.« (GA 1, 356) Dennoch meint er, daß es zu jedem Ausdruck, also auch für [16] Adjektive wie »blau« oder für Zahlen wie »fünf«, eine besondere Entität gibt, zu der der Ausdruck in der Beziehung der Bezeichnung steht.
    Nominalisten – für die die Universalien nur Namen sind und nichts Wirkliches repräsentieren – hatten für solche Vergegenständlichungen von Entitäten nur abfällige Etikettierungen übrig, da dieser Universalienrealismus auf einem simplen Kategorienfehler beruht, der nach Gilbert Ryle (1900–1976) folgendermaßen funktioniert: So wie es eine mir bekannte Entität gibt, etwa meinen Hund Fido, der auf den Namen »Fido« hört und durch diesen Namen bezeichnet wird, so muß es für jeden sinnvollen Ausdruck eine besondere Entität geben, zu der er in der Beziehung der Bezeichnung steht, eben der durch »Fido«–Fido bezeichneten Realität. Während jedoch »Fido« tatsächlich ein Name ist, behandelt der Universalienrealist auch Ausdrücke als Namen, die überhaupt keine Namen sind, eben
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