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Heidegger - Grundwissen Philosophie

Heidegger - Grundwissen Philosophie

Titel: Heidegger - Grundwissen Philosophie
Autoren: Udo Tietz
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beiden gleichsam konvergierenden Bewegungen ließen die
Logistik
entstehen. Sie bildet den logischen Aufriß der Mathematik. Die Systematik und Geschlossenheit logizistischer Probleme erscheint am weitesten fortgeschritten bei
Bertrand Russell
. Während der Bearbeitung des zweiten Bandes in Verbindung mit A. Whitehead erkannte [23] Russell, daß der Gegenstand seiner Untersuchung sich ausgedehnter zeigte, zugleich aber auch, daß manches in der früheren Darstellung ›zweifelhaft und dunkel‹ geblieben sei. Russell und Whitehead schufen daher ein völlig neues Werk, dessen erster Band vorliegt.
    Das ›Urteilskalkül‹, ›Klassenkalkül‹ und ›Relationskalkül‹ behandeln die logischen Grundbegriffe und Funktionen. Durch den Beweis, daß diese
und nur
diese fundamentalen Phänomene den Bau der Mathematik stützen, ist die Identität der Logik und Mathematik gegeben. Der Logik entsteht mit dieser Theorie eine neue Aufgabe der Gebietsabgrenzung. Bei deren Lösung ist meines Erachtens vor allem nachzuweisen, daß die Logistik überhaupt nicht aus der Mathematik herauskommt und zu den eigentlichen logischen Problemen nicht vorzudringen vermag. Die Schranke sehe ich in der Anwendung mathematischer Symbole und Begriffe (vor allem des
Funktionsbegriffs)
, wodurch die Bedeutungen und Bedeutungsverschiebungen der Urteile verdeckt werden. Der tiefere Sinn der Prinzipien bleibt im Dunkeln, das Urteil z. B. ist ein Rechnen mit Urteilen, die Probleme der Urteilstheorie kennt die Logistik nicht. Die Mathematik und die mathematische Behandlung logischer Probleme gelangen an Grenzen, wo ihre Begriffe und Methoden versagen, das ist genau dort, wo die Bedingungen ihrer Möglichkeit liegen.« (GA 1, 41 f.)
    Was kann Heidegger nun von seinen eigenen Voraussetzungen aus gesehen kritisieren? Er kann zunächst einmal darauf hinweisen, daß Freges Gesamtprojekt einer rein logischen Begründung der Arithmetik gescheitert ist. Heidegger würde sich mit diesem Verweis in die Reihe jener einreihen, die zeigen konnten, daß das Hauptziel der
Begriffsschrift
und damit das Gesamtprojekt von Frege antinomieanfällig ist. Und tatsächlich mußte Frege gegenüber Russell zugeben, daß dessen Antinomieeinwand berechtigt sei. Im Jahr 1902 wies nämlich Russell ihn auf einen Widerspruch im System hin, der sich aus den Voraussetzungen der klassischen Mengenlehre ergab. 13 Frege, dem es zunächst völlig »unwahrscheinlich« erschien, »daß ein solcher Bau sich auf einem unsicheren, fehlerhaften Grund aufführen lassen sollte«, der vielmehr felsenfest davon [24] überzeugt war, niemand könne den Nachweis erbringen, daß seine »Grundsätze zu offenbar falschen Folgesätzen führen«, mußte nun erkennen, daß nach der »Vollendung« seiner Arbeit »die Grundlagen seines Baues erschüttert« waren. 14 Denn Russell konstruierte eine Antinomie, also einen zugleich beweisbaren und widerlegbaren Satz, die unweigerlich die Aufgabe des ganzen Systems erzwang, was ihn dazu bewog, die Begründung der Mathematik auf die Basis einer Typentheorie zu stellen, eben weil diese Antinomie aus den Grundvoraussetzungen des Systems der klassischen Mengenlehre selbst resultierte, eine Entwicklung, an der Frege nicht mehr teilnahm.
    Heidegger kann aber auch darauf verweisen, daß es überhaupt nicht die Absicht von Frege war, eine Bedeutungs- oder Verstehenstheorie für natürliche Sprachen zu entwickeln. Denn Frege ging es zunächst lediglich um jene Seite der Sprache, die er zu benötigen meinte, um die Grundlagen der Arithmetik zu klären, speziell das mathematische Beweisen, bei dem sich die Eigenschaft der Wahrheit von einer gegebenen Anzahl von Prämissen nach logischen Regeln auf eine Konklusion überträgt. Denn Frege will in der Begriffsschrift die natürlichen Zahlen und den Begriff der Zahl mit logischen Mitteln definieren und mit diesen Definitionen die Grundgesetze der Arithmetik auf einem rein logischen Weg beweisen, was nur durch eine
Idealsprache
zu bewerkstelligen sei. Daher seine Frage nach den »unbeweisbaren Grundsätzen und Axiomen […], auf denen die ganze Mathematik beruht«, eine Frage, die nach Frege zwar nicht neu ist, die jedoch erst dann plausibel beantwortet werden kann, wenn die »logische Unvollkommenheit unserer Sprachen«, die sich aus der »Vieldeutigkeit der Ausdrücke« ergibt, beseitigt ist und die »Mängel fester Formen für das Schließen« behoben sind. 15
    Und Heidegger kann schließlich auch noch die »Mythologie des
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