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Heidegger - Grundwissen Philosophie

Heidegger - Grundwissen Philosophie

Titel: Heidegger - Grundwissen Philosophie
Autoren: Udo Tietz
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Prädikat interpretiert wird, die das Geltende repräsentiert. Denn eben mit dieser Interpretation der Kopula stellt Heidegger seine Bedeutungstheorie auf eine Basis, die es erforderlich macht, die Bedeutung des ganzen Satzes aus der Bedeutung seiner Teile zu rekonstruieren. Das Problem besteht jedoch gerade darin, daß sich der prädikative Satz überhaupt nicht als eine solche Relationsaussage verstehen läßt. Allein unter der gegenstandstheoretischen Voraussetzung, daß sich die Kopula vom Prädikat trennen läßt und als unselbständiges, also »synkategorematisches« Verbindungswort fungiert, das die Synthesis repräsentiert, kann es erst als sinnvoll erscheinen, daß das Prädikat für etwas steht und daß sich der Sachverhalt in einer kategorialen Synthesis konstituiert.
    Während sich also Heideggers Kritik an den relativistischen Konsequenzen des Psychologismus mittels der Unterscheidung von »Urteilsvollzug« und »Urteilssinn« auch heute noch [19] aufrechterhalten läßt, muß sein Versuch, die Voraussetzungen des Psychologismus durch eine gegenstandstheoretische Urteilstheorie in Frage zu stellen, als gescheitert angesehen werden. Und dies aus zwei Gründen: zum einen, weil die Widerlegung des Psychologismus mit einer falschen Ontologisierung logischer Sachverhalte erkauft wird, so daß Heidegger den Relativismus nur um den Preis des Absolutismus überwinden konnte – was ihm im Verlauf seines »Denkweges« bewußt wird; zum anderen, weil Heidegger eine Voraussetzung mit dem Psychologismus teilt, die Voraussetzung nämlich, daß das Urteil sich einer Synthesis von Subjekt und Prädikat verdankt, wobei der Status der Kopula innerhalb der einzelnen »Urteilslehren« strittig war. Diese Voraussetzung, die sowohl von Psychologisten als auch von Antipsychologisten nie angezweifelt wird, ist deshalb problematisch, weil sie das, was mit ebendieser Voraussetzung aufgeklärt werden soll, nämlich die logische Struktur des Urteils, nicht aufklären kann.
    Freilich bleibt die Frage offen, ob es für Heidegger überhaupt eine Alternative zum gegenstandstheoretischen Paradigma gab. Und eine solche gab es in der Tat – und zwar in Gestalt der Arbeiten von Gottlob Frege (1848–1925). 11 Freges Theorie des Sinns bietet uns einen Ansatz zur Lösung unserer Frage, insofern der Sinn lediglich in der Art und Weise der Bestimmung des Bezuges des Ausdrucks besteht, die ihrerseits ein Schritt ist bei der Bestimmung des Wahrheitswerts eines Satzes, in dem dieser Ausdruck vorkommt.
    Wenn es also innerhalb eines gegenstandstheoretischen Paradigmas unmöglich ist, die logische Struktur des prädikativen Satzes aufzuklären, dann kann es sich bei den Differenzen zwischen Heidegger, Husserl, Rickert, Lask und Josef Geyser (1869–1948) lediglich um binnentheoretische Unterschiede innerhalb eines Paradigmas handeln, eben des gegenstandstheoretischen. Dies bedeutet dann aber, daß die Frage, an der sich im »Psychologismusstreit« die Geister scheiden, nicht die ist, ob wir in der Urteilstheorie einen psychologistischen oder antipsychologistischen Standpunkt vertreten. Die Logistik ist [20] ja ebenfalls antipsychologistisch ausgerichtet. Die Frage, an der sich die Geister scheiden, bezieht sich darauf, ob wir in der Urteilstheorie einen gegenstandstheoretischen oder einen funktionalen Ansatz vertreten. Das heißt dann aber, daß die Frontlinie im »Psychologismusstreit« nicht nur zwischen Psychologisten und Antipsychologisten verläuft, da auch alle von Heidegger kritisierten psychologistischen Positionen gegenstandstheoretisch ausgerichtet sind, sondern zwischen Frege, Bertrand Russell (1872–1970) und dem frühen Ludwig Wittgenstein (1889–1951) auf der einen Seite und Heidegger, Husserl, Rickert, Lask und Geyser inklusive der psychologistischen Positionen von Wilhelm Wundt (1832–1920), Heinrich Maier (1867–1933), Franz Brentano (1838–1917), Anton Marty (1847–1914), und Theodor Lipps (1851–1941) auf der anderen Seite. Der Grund für diesen etwas seltsam klingenden Befund ist leicht benannt: Die gegenstandstheoretische Voraussetzung in der Urteilstheorie ist sowohl mit einer relativistisch-psychologistischen als auch mit einer absolutistisch-ontologischen Deutung kompatibel, nicht hingegen mit einer funktionalen, mit der sich allein die logische Struktur prädikativer Sätze aufklären läßt.
Heidegger und die Logistik
    Der beschriebenen Auffassung steht jedoch das Gros der Heidegger-Interpretationen entgegen,
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