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Heidegger - Grundwissen Philosophie

Heidegger - Grundwissen Philosophie

Titel: Heidegger - Grundwissen Philosophie
Autoren: Udo Tietz
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für einen Fehler. »Die Logik bewegt sich nur in der Sphäre des Sinns«, nicht in der des Faktischen. Es ist das Reich der Geltung, das Heidegger für das Logische reserviert, ein Reich, welches der Psychologismus nicht kennt, weil er »die logische ›Wirklichkeit‹ « nicht kennt, wobei Heidegger meint, daß dieses Reich nicht nur gegen das Psychische, sondern auch gegen das Metaphysische abzugrenzen sei. Er will den Relativismus nicht um den Preis eines Rückfalls in eine unkritische Metaphysik überwinden, sondern auf dem kritischen Weg.
    Für Heideggers antipsychologistische Logikfundierung ist somit erstens die Unterscheidung von »Urteilssinn« und »Urteilsvollzug« und zweitens die Unterscheidung von »Sein« und »Gelten« charakteristisch. Doch was ist das: »Sinn«? Auch Heidegger stellt sich diese Frage: »Hat es überhaupt Sinn, danach zu fragen? Wenn wir den Sinn des Sinnes suchen, müssen wir doch wissen, was wir suchen, eben den Sinn. Die Frage nach dem Sinn ist nicht sinnlos.« (GA 1, 170) Diese Frage ist nicht trivial. Denn von der Art und Weise ihrer Beantwortung hängt nicht nur die Plausibilität von Heideggers früher Psychologismuskritik ab, es werden zugleich die Weichen für spätere Entwicklungen gestellt.
    Wie beantwortet er nun die Frage nach dem Sinn? »Sinn steht im engen Zusammenhang mit dem, was wir ganz allgemein mit Denken bezeichnen, wobei wir unter Denken nicht den weiten Begriff Vorstellen verstehen, sondern Denken, das [13] richtig oder unrichtig, wahr oder falsch sein kann […]. Die Wirklichkeitsform des Sinnes ist das Gelten.« (GA 1, 172) Der Sinn ist es, der gilt. Er »verkörpert« das Logische. Denn der Sinn ist der »
Inhalt
, die logische Seite des Urteils«, oder, wie Heidegger auch sagt: »
Das Urteil der Logik ist Sinn
.« (GA 1, 172)
    Bemerkenswert an dieser Antwort ist zum einen, daß der Sinnbegriff nicht mit Bezug auf die Sprache eingeführt wird, was insofern naheläge, als es sich bei Urteilen um einen sprachlich zugänglichen Sinn handelt, sondern mit Bezug auf das »Denken«, also innerhalb eines
mentalistischen Paradigmas
; und zum anderen, daß Heidegger behauptet: der Sinn
gilt
. Ebendiese Rede von einem Sinn, der gilt, ist keineswegs eindeutig. Eindeutig ist lediglich, daß Heidegger den Wahrheitsanspruch als einen Geltungsanspruch versteht. Denn das Wahre ist für ihn das Geltende selbst. Vergleichen wir aber die Prädikatausdrücke »... ist wahr« und »... gilt«, dann stellen wir fest, daß ein Wahrheitsanspruch kein Geltungsanspruch ist, da »gelten« in aller Regel in dreistelligen Prädikaten vorkommt, wobei wir zwei paradigmatische Fälle unterscheiden können: »X gilt für jemanden
als
Y« und »X gilt für jemanden
für
etwas«.
    Nun untersteht die Wahrheitsfrage allerdings keiner solchen normativen Beziehung. Der Anspruch, den wir mit einem konstatierenden Sprechakt erheben, ist lediglich der, daß das, was wir sagen, wahr ist. Daher ist es »
nichtssagend
, den Wahrheitsanspruch einen Geltungsanspruch zu nennen, weil das, was da als Geltung beansprucht wird, nichts anderes als die Wahrheit selbst ist, oder es ist
irreführend
, weil der Anspruch ›p ist wahr‹ und der Anspruch ›p gilt‹ schon aus semantischen Gründen nicht miteinander identisch sein können. Wahrheitsfragen sind keine Geltungsfragen in dem Sinn, daß man in allen Kontexten das Prädikat ›... ist wahr‹ durch das Prädikat ›... gilt ...‹ ersetzen könnte.« 1
    Um den Relativismus in der Urteilstheorie abzuwehren, greift Heidegger also – in Reaktion auf den Psychologismus – zuerst das Wahrheitsproblem auf der Ebene der Erkenntnis auf und leitet damit den Übergang von der deskriptiven zur [14] normativen Rede ein, der dann mit dem Terminus »gelten« effektiv vollzogen wird. Nachdem auf diese Weise die objektive Geltung von den Relativierungen des Urteilsvorgangs abgezogen wurde, behauptet er nun, daß das »Gelten dieses von jenem […] der logische Begriff der Kopula« besagt, die die »Relation zwischen Gegenstand und bestimmendem Bedeutungsgehalt« repräsentieren soll und daher als ein »
notwendiger dritter
Bestandteil des Urteils« (GA 1, 178) aufgefaßt werden muß. Im Bestreben, die Gebietsfremdheit von Logik und Grammatik darzutun, wird so die Kopula, also das grammatische Bindeglied zwischen Subjekt und Prädikat, »das wesentlichste und eigentümlichste Element im Urteil«. Denn sie repräsentiert das Logische überhaupt, »sofern dessen
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