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Heidegger - Grundwissen Philosophie

Heidegger - Grundwissen Philosophie

Titel: Heidegger - Grundwissen Philosophie
Autoren: Udo Tietz
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dritten Reiches« kritisieren, durch die Freges Theorie des Sinns unter einem permanenten Platonismusverdacht steht. Kritisiert wird in dieser Perspektive, daß das Fassen eines Sinns nicht als ein
Können
, sondern überhaupt nicht erklärt [25] wird. Denn wir erfahren von Frege nur, daß der Sinn durch verschiedene Wörter ausgedrückt werden kann, aber gegeben ist er uns gar nicht, er wird einfach »erfaßt«, wobei völlig unklar bleibt, wie dieses Erfassen praktisch vor sich geht und theoretisch rekonstruierbar ist.
    Heideggers Bemerkungen lassen sich wahrscheinlich auf alle diese Punkte beziehen. Zwar erscheint es fraglich, ob die von Heidegger ausgemachte »Schranke« der Logistik, die »in der Anwendung der mathematischen Symbole und Begriffe (vor allem des
Funktionsbegriffs
)« liege, tatsächlich als eine solche betrachtet werden muß. Fest steht jedoch, daß Freges Programm antinomieanfällig ist, daß eine Theorie der idealen Sprache, so wie sie von Frege, Russell und dem frühen Wittgenstein effektiv vertreten wurde, vor der Frage steht, wie sie mit dem Problem der Selbstbezüglichkeit fertig wird; und sicher ist weiterhin, daß Freges Programm unter einem beständigen Platonismusverdacht steht. Und genau dies hat Heidegger auch erkannt.
    Während also Frege und Russell den Versuch unternehmen, mit dem Postulat von jenseitigen logischen Gegenständen die Ideen Platons erneut zu erfinden, sieht der frühe Heidegger, daß dies zu einem Problem führt, an dem sich schon Platon im
Parmenides
vergeblich abgearbeitet hat: dem Problem, wie jene Entitäten, die die Erkenntnis erst erklären sollen, ihrerseits erkannt werden können. Interpretiert man Heideggers frühe Kritik an der Logistik wohlwollend, dann handelt es sich hier um den Nachweis, daß die Sprache im Rahmen des idealsprachlichen Programms nur dann an die Stelle des Bewußtseins treten kann, wenn sich für sie Bedingungen der Möglichkeit der sprachlichen Beschreibbarkeit angeben lassen. Und sie kann nur dann der geschichtlichen Relativierung entgehen, wenn sich diese Bedingungen der Beschreibbarkeit a priori angeben lassen, wobei der Logik innerhalb der Logistik die Aufgabe zukam, diese Bedingungen aufzuklären. Sie galt Frege, Russell und dem frühen Wittgenstein als normative Wissenschaft. Sie sollte die erkenntnistheoretische Besorgnis [26] widerstreitender Erfahrung bannen, wobei das Dilemma dieses Ansatzes mit dem Problem der Selbstbezüglichkeit deutlich wird.
    Hält man diese Vorwürfe gegenüber der Logistik hingegen für berechtigt, fallen nicht nur Frege, Russell und der frühe Wittgenstein unter diese Kritik, sondern auch Rickert, Lask, Husserl und Heidegger selbst, insofern die Vertreter beider Lager mit der Scheidung von Realem und Idealem unter dem gleichen Platonismusverdacht stehen. Denn nicht nur »bei
Rickert
schweben […] die Formen in der Luft« 16 , sondern eben auch bei Lask, Husserl und Heidegger. Zwar betont Heidegger, daß die »Gebietsscheidung von logischen Sinngebilden und grammatischen Sprachgebilden«, die für »die Herausarbeitung ihres heterogenen Charakters« nötig sei, wieder aufgehoben und »in eins verschmolzen« werden muß. Tatsächlich jedoch erfolgt keine echte Vermittlung der »so radikal auseinandergerissenen Sphären des existierenden Grammatischen und des geltenden Logischen« (GA 1, 294f.), sie ist immer nur erschlichen. Dies ist nun insofern nicht verwunderlich, als »Sinn und Bedeutung«, die per Voraussetzung »keinerlei Veränderung« unterliegen, nämlich genau solche Wesenheiten darstellen wie Platons Ideen, Freges »Gedanken« oder Russells »logische Gegenstände«.
    Wie bereits erwähnt: In bezug auf die Logistik hat Heidegger bemerkt, daß die logizistische Leitidee einer jeden Widerspruch des Denkens ausschließenden Sprache, die innerhalb der Logistik spätestens mit Russell in eine Aporie führt, zu einer Neuauflage der Platonischen Zweireichelehre führt. Und ihm ist auch die Regreßanfälligkeit und der konstitutive Dualismus einer Konstruktion nicht entgangen, in der »die Verklammerung von Form (Kategorie) und Material […] als ›Sinn‹ bezeichnet« wird. (GA 1, 24f.) Denn wenn wie bei Lask jede »Kategorie ins Unendliche Material der Kategorie zu werden vermag« 17 , dann zieht sich nicht nur durch die gesamte Konstruktion eine »Zweireihigkeit« von Form und Material, die auch dadurch nicht aufgehoben werden kann, daß die [27] Material-Form-Verklammerung in infinitum immer
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