Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Heidegger - Grundwissen Philosophie

Heidegger - Grundwissen Philosophie

Titel: Heidegger - Grundwissen Philosophie
Autoren: Udo Tietz
Vom Netzwerk:
Heidegger gegenüber den intentionalen Leistungen des Bewußtseins ihre Autonomie und Selbständigkeit. Diese wird ihr mit Heideggers »Kehre« Mitte der dreißiger Jahre zwar in einer ontologisierten Form wieder zugesprochen, aber um den Preis, daß nun die sprachkonstitutiven Leistungen vollständig auf der Strecke bleiben.
    Anders bei Frege und etwas später dann beim frühen Wittgenstein, die der Sprache einen von den Intentionen der sprechenden Subjekte unabhängigen Status zuschreiben. Geleitet von der Einsicht, daß das richtige Verständnis eines Ausdrucks nicht intentionalistisch erklärt werden kann, sondern aus den Formeigenschaften und Bildungsgesetzen des Ausdrucks selbst, wird die Bedeutungstheorie aus allen handlungstheoretischen Zusammenhängen gelöst und der Sprachanalyse im engeren Sinn vorbehalten. Damit erschließt sich die formale Semantik jene Dimension, die Heidegger mit seinem intentionalistischen Ansatz nicht adäquat zu begreifen vermag: den logisch-semantischen Aufbau der Sprache. Zwar gilt auch noch für die ältere satzsemantische Analyse Freges und des frühen Wittgensteins, daß sie an die bewußtseinsphilosophische Gegenstandstheorie der Erkenntnis gebunden bleibt. 26 Denn auf die Frage, was wir unter einer Tatsache zu verstehen [32] haben, antwortet sie: »das Bestehen von Sachverhalten« – und stellt dann einen Sachverhalt als »eine Verbindung von Gegenständen« vor. 27
    Gleichwohl revolutionierte die Satzsemantik nicht nur die referenzsemantische Auffassung, der zufolge sich Sprache zur Realität wie der Name zu seinem Gegenstand verhält. Sie gibt auch den Weg frei, um den Zusammenhang von Wahrheit und Bedeutung aufzuklären. Wenn nämlich die Bedeutung eines assertorischen Satzes der Sachverhalt ist, den er wiedergibt, und wenn der ausgedrückte Sachverhalt existiert, dann verstehen wir einen assertorischen Satz genau dann, wenn wir jene Bedingungen kennen, unter denen er wahr ist. In diesem Sinn behauptete Wittgenstein im
Tractatus:
»Einen Satz verstehen, heißt, wissen was der Fall ist, wenn er wahr ist.« 28
    Während also bei Frege und Wittgenstein die Analyse des Gedankens mittels einer Analyse der Sprache erfolgt, wodurch die Analyse von Begriffen und Propositionen in eine nicht psychologische Richtung gelenkt werden kann, ohne daß gleichzeitig der Tribut des »dritten Reiches« gezahlt werden muß, bewerkstelligt Heidegger die Analyse des Urteilsgehalts mittels einer Analyse der intentionalen Akte. Läßt sich im Anschluß an Frege der Antipsychologismus auch ohne Platonismus vertreten, und zwar dann, wenn die Zugehörigkeit des Gedankens an den sprachlichen Ausdruck gebunden wird, dessen Objektivität in den gemeinsamen Praktiken innerhalb einer intersubjektiv geteilten Sprache gründet, so wird bei Heidegger im Anschluß an Husserl der Sinnbegriff derart verallgemeinert, daß er zu einer Konzeption des »Noemas« gelangt, wodurch der Antipsychologismus – analog zu Frege – nur noch als Platonismus vertreten werden kann, ohne aber – und das ist der Unterschied zu Frege – mit dieser Verallgemeinerung des Sinnbegriffs die Wende zur Sprache noch mitvollziehen zu können. Denn durch die Verallgemeinerung des Sinnbegriffs zum »Noema«, das in Husserls eigenen Worten »nichts weiter als die Verallgemeinerung der Idee der Bedeutung auf das Gesamtgebiet der Akte« darstellt 29 , wird der Sinnbegriff in [33] einem ersten Schritt aus der Verbindung mit einem ihn tragenden sprachlichen Ausdruck herausgelöst und vergegenständlicht, so daß er in einem zweiten Schritt mittels der bedeutungsverleihenden Akte zum sprachlichen Ausdruck wieder hinzugefügt werden muß. Besteht der Sinn eines Ausdrucks bei Frege in der Art und Weise, wie der Bezug des Ausdrucks bestimmt wird, so besteht er bei Heidegger und Husserl gerade in der Unabhängigkeit vom sprachlichen Ausdruck. Denn der »Sinn, ebenso wie die in ihm antreffbaren Bestandstücke, die Bedeutungen« (GA 1, 290), soll sich ja völlig unabhängig von der Sprache darstellen lassen.
    Es ist die »radikale Scheidung von Sprachgebilde und logischem Gehalt« (GA 1, 291), die Heidegger zu der Deutung zwingt, daß in sinn- und bedeutungslosen »Wörtern als solchen kein Zusammenhang, keine Ordnung« ist, weil Sinn und Bedeutung per Voraussetzung nicht »in die Welt des real Existierenden« gehören, sondern als zeitlos identisch dieselben gelten. Und ebendiese Deutung läuft nun aber in sprachphilosophischer Hinsicht auf die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher