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Hebt die Titanic

Hebt die Titanic

Titel: Hebt die Titanic
Autoren: Clive Cussler
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und fragte fast atemlos: »Wer mag das sein?«
    Pitt betrachtete die mumifizierte Leiche mit einem seltsamen Gefühl zwischen morbider Faszination und Abscheu. »Ich glaube, sein Name war Joshua Hays Brewster.«
    »Brewster?« flüsterte Seagram, und eine schreckliche Vorahnung verdüsterte seinen flackernden Blick.
    Sandecker wandte sich schaudernd ab und fragte Pitt: »Du wußtest davon?«
    Pitt nickte. »Kommodore Bigalow hat mich eingeweiht. Aber ich hätte nicht gedacht –«
    Er sprach das nicht aus, was auch die anderen Männer empfanden und was sie noch in den nächsten Wochen und Monaten als grauenhafte Alptraumvision heimsuchen würde.
    »Rufen Sie das Büro des Leichenbeschauers an«, befahl Sandecker einem der Arbeiter mit gedämpfter Stimme. »Und alle anderen, die hier nichts zu suchen haben, sollen verschwinden.«
    Die Dockarbeiter befolgten nur zu gern den Befehl und flohen aus der Nähe dieser Schreckenskammer mit den grausigen Überresten eines vor sechsundsiebzig Jahren wie in einer Hölle für Selbstmörder verendeten Menschen.
    Seagram trat neben Lusky und packte dessen Arm mit wilder Heftigkeit. »Los, Herb, worauf warten Sie noch?« Seagrams Stimme klang dünn, fast kreischend vor hysterischer Überreiztheit. »Machen Sie sich an die Arbeit. Wir wollen endlich wissen, woran wir sind.«
    Lusky betrat zögernd die Tresorkammer und öffnete mit dem Brecheisen eine der Kisten, die am weitesten von der Leiche entfernt stand. Dann untersuchte er außerhalb der Tresorkammer eine Gesteinsprobe – eine zweite und eine dritte. In seinem Blick spiegelten sich Ungläubigkeit und Enttäuschung. »Das Zeug ist völlig wertlos«, sagte er leise.
    »Was sagen Sie da?« Seagram packte seine Schultern. Lusky schüttelte ärgerlich den Griff ab.
    »Lassen Sie Ihre Enttäuschung nicht an mir aus«, sagte er scharf. »Ich bin ebenso überrascht wie Sie alle.«
    »Nehmen Sie Proben aus den anderen Kisten«, sagte Seagram drängend.
    Lusky nickte nur und machte sich wieder an die Arbeit, während die Männer in nervöser Unruhe warteten. Schließlich richtete er sich auf.
    »In allen zehn Kisten das gleiche«, stammelte er fassungslos. »Ganz gewöhnlicher Kies und Geröll, wie man es unter jedem Straßenbett findet.«
    Dumpfes Schweigen folgte. Die Männer starrten auf die wertlosen Gesteinsproben und dachten alle das gleiche. Der ganze gewaltige Einsatz von menschlichem Erfindungsgeist, von Ingenieurskunst und mehr als einer dreiviertel Milliarde Dollar war vergeblich gewesen.
    Munk und Woodson und all die anderen waren umsonst gestorben. Sie waren die Opfer eines gigantischen und zugleich makabren Täuschungsmanövers geworden, das jemand vor sechsundsiebzig Jahren inszeniert hatte. Das Byzanium war nicht an Bord der Titanicwar nie dort gewesen.
    Seagram war es, der schließlich das Schweigen brach. Dieser letzte heimtückische Schicksalsschlag zerbrach die dünne Grenzwand der Vernunft in seinem Gehirn. Der Wahnsinn äußerte sich zuerst in einem dünnen, meckernden Lachen, das gespenstisch im Laderaum widerhallte. Das Lachen wurde zu einem kreischenden Geheul, als Seagram in die Tresorkammer stürzte und den Kopf der Leiche packte. »Betrogen hast du mich!« schrie er.
    »Betrogen – betrogen betrogen –« Eine Wolke von stinkendem Qualm schien ihn zu umhüllen.
    Es gab einen dumpf klatschenden Laut, und plötzlich stand Seagram nur noch mit dem Mumienschädel in den Händen da. In seinem vom Irrsinn umnebelten Verstand glaubte er zu sehen, wie sich die geschwärzten, pergamentartigen Lippen zu einem gräßlichen Grinsen öffneten.
    Das stieß ihn endgültig in den Abgrund des Wahnsinns. Über Raum und Zeit hinweg schien Joshua Hays Brewsters Irrsinn wie eine ansteckende Pest nun auch Gene Seagram ergriffen zu haben, als er wimmernd und stöhnend zusammenbrach, immer noch den Totenschädel festhaltend und sinnlose Wortfetzen und Flüche stammelnd.
    Es war kein Nervenzusammenbruch, stellten die Ärzte später fest. Es war ein Fegefeuer des Wahnsinns, aus dem Gene Seagram nie mehr in die Realität zurückfinden würde.
78
    Sechs Tage später betrat Donner das Hotel, in dem Admiral Sandecker am Frühstückstisch saß, und ließ sich ihm gegenüber nieder. »Haben Sie schon das Neueste gehört?« fragte Donner.
    Sandecker ließ die Gabel mit einem Bissen Omelett halbwegs zwischen Teller und Mund in der Schwebe und antwortete mißmutig: »Wenn es weitere schlechte Nachrichten sind, können Sie sie gern für sich
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