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Heavy Metal (German Edition)

Heavy Metal (German Edition)

Titel: Heavy Metal (German Edition)
Autoren: Felix Rodenkirchen
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nachdem dieser Polizist ihn angerufen hatte, da hatte er zum ersten Mal seit über einer Woche wieder klar sehen können. In diesem Moment wusste er, dass er nie mehr frei sein würde. Dass er immer in der Gefahr schweben würde, entdeckt zu werden. Dass er jeden Tag mit seiner Schuld würde leben müssen. Er hatte sich nach dem Anruf in seiner Freistunde einfach die Vespa geschnappt und war zur „SoDa“-Brücke gefahren. Ihrem Ort. Er wollte alleine sein, nachdenken und dabei eine große Tüte durchziehen.
    Nach einer Weile, die er kiffend mitten im Unkraut an den feuchten Beton gelehnt verbracht hatte, war sein Entschluss gefallen.
    Sterben.
    Sterben wie Anna gestorben war. Es schien ihm nicht nur die einzige, sondern auch die versöhnlichste Lösung. Er war den Hügel hinauf zur Autobahnbrücke über der A1 geklettert. Von dort oben konnte er in der Ferne die Abfahrt Euskirchen und die dazugehörige Brücke erkennen. Annas Brücke.

    Ab da ging alles ganz schnell. Er war zu dem Geländer gelaufen, darüber gestiegen, hatte sich mit nach hinten gestreckten Armen an dem schmutzigen Metall festgehalten und wollte nur noch ein einziges mal kurz in Gedanken mit ihr sprechen, als unter ihm bereits ein Auto mit leuchtender Warnblinkanlage an der Leitplanke angehalten und sein Fahrer ihm aus dem heruntergelassenen Fenster irgendetwas zugerufen hatte. Während einige weitere Autos noch laut hupend unter ihm hinweg gerast waren, waren immer mehr dem Beispiel des Wagens an der Leitplanke gefolgt. Keine Minute später hatte sich ein kleiner Stau gebildet. Kaum mehr ein Auto hatte sich noch gewagt, unter der Brücke hindurch zu fahren. Und wenn doch, tat es dies im Schneckentempo ganz weit außen. Dann war auch schon die Polizei da gewesen, zwei Streifenwagen waren aus Richtung Wißkirchen über die Autobahn angerast gekommen. Einer hatte die Spur nach Köln abgesperrt, über der er stand. Der andere war die Auffahrt hinaufgefahren und hatte hinter ihm auf der Straße nach Zülpich gebremst. Noch ein drittes Martinshorn hatte er unter sich hören, aber kein Polizeiauto sehen können. Fast zeitgleich war dann auch der Verkehr auf der Gegenfahrbahn in Richtung Trier komplett versiegt gewesen.
    Soviel Aufhebens um seine Person war er nicht gewohnt. Nicht von seinen Eltern, nicht von seinen wenigen Kumpels und erst recht nicht von den Lehrern. Er - Der Depri, der Emo, der Freak. Anna war damals seine Rettung gewesen. Ohne sie wäre er vielleicht schon früher in einer ähnlichen Situation wie dieser hier gelandet. Und jetzt stand er ausgerechnet wegen ihr hier. Dutzende Augenpaare starrten ihn entsetzt durch Windschutzscheiben hindurch an. Er wollte nicht hinsehen, sondern fixierte den Asphalt und die grellweißen Fahrspurstreifen unter sich. Wenn er mit dem Kopf zuerst aufprallen würde, wäre er sicher tot. Egal, ob Autos fuhren oder nicht.
    Er war verwirrt. Und er hatte höllische Angst.

    „Junge, mach keinen Scheiß! Lass uns reden, komm!“
    Die Stimme kam von irgendwoher hinter ihm. Er drehte den Hals soweit er konnte nach links und erkannte den Streifenwagen auf der Brücke. Beide Türen standen offen. Zwei Polizisten waren gerade im Begriff, über die Leitplanke der Fahrbahn zu klettern. Zwischen dieser und seinem Geländer lag noch ein ungenutzter Fahrstreifen von etwa sechs Metern Breite, auf dem Moos wuchs.  
    „Bleibt da stehen“, schrie er so laut er konnte. „Ihr bleibt da sofort stehen sonst springe ich! Kapiert? Sofort!“
    Er erschrak vor seiner eigenen Stimme, die schrill klang und fremd und sich überschlug.
    „Ja, ist gut. Kein Problem. Wir bleiben hier an der Leitplanke, OK?“
    „Keine blöden Tricks, ich bin schneller da unten als ihr laufen könnt“, rief er nur mehr zurück, da er realisierte, dass die Entfernung zu den Polizisten so gering war, dass er nicht zu schreien brauchte.  
    „Verrätst du mir, wie du heißt“, fragte der eine Polizist in einem ruhigen Ton. Er antwortete nicht sofort. „Du musst nur die Hände öffnen, verdammt. Nur aufmachen!“, dachte er. Aber irgendetwas hielt ihn jetzt mehr denn je davon ab.
    „Niels“, sagte er schließlich.  
    „Gut Niels. Wir bleiben hier stehen. Versprochen. Ich bin übrigens Maik, das neben mir ist der Frank. Hör mal Niels, egal warum du da stehst: Es gibt kein Problem, dass nicht gelöst werden kann. Hörst du?“ 
    Hatte der Typ eine Ahnung! Niels Blums Gesicht verzog sich zu einem schiefen Lächeln. Eine große Träne lief aus
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